Israel-Wahl - Letzter Schlagabtausch vor Urnengang
Jerusalem/Ramallah (APA/AFP) - Unmittelbar vor der mit Spannung erwarteten Parlamentswahl in Israel am morgigen Dienstag haben sich die Kand...
Jerusalem/Ramallah (APA/AFP) - Unmittelbar vor der mit Spannung erwarteten Parlamentswahl in Israel am morgigen Dienstag haben sich die Kandidaten einen letzten heftigen Schlagabtausch geliefert. Der um den Machterhalt kämpfende Ministerpräsident Benjamin Netanyahu rückte am Montag die Einheit Jerusalems in den Mittelpunkt und kündigte tausende neue Siedlerwohnungen an.
Anders als Oppositionschef Isaac Herzog sei er der Garant dafür, dass Jerusalem nicht erneut geteilt werde, sagte er. Netanyahu besuchte in der Früh demonstrativ die jüdische Siedlung Har Homa im Südosten von Jerusalem. Dieses große Neubauviertel ist besonders umstritten, weil es erst nach dem Oslo-Abkommen wie ein Riegel zwischen Jerusalem und ihrer historischen Schwesterstadt Bethlehem errichtet wurde. In Har Homa versprach Netanyahu für den Fall seiner Wiederwahl: „Wir werden in Jerusalem tausende Neubauwohnungen errichten und trotz des internationalen Drucks unsere ewige Hauptstadt vergrößern.“
Am Dienstag sind knapp sechs Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, bereits nach etwas mehr als zwei Jahren erneut über die Zusammensetzung der Knesset zu entscheiden. Die Neuwahlen gelten als Referendum über die Regierungszeit Netanyahus, der seit 2009 im Amt ist. Er baute in seiner Kampagne ausschließlich auf das Thema Sicherheit, insbesondere die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm. Wenig Beachtung schenkte seine konservative Likud-Partei sozialen Themen.
Wirtschaftsfragen spielten dagegen eine zentrale Rolle im Wahlkampf der zentristischen und linken Parteien, denen die Umfragen gute Ergebnisse prognostizieren. So sahen die letzten Umfragen am Wochenende einen Vorsprung der Zionistischen Union, gebildet aus Herzogs Arbeitspartei und der Zentrumspartei Hatnua von Ex-Außen- und -Justizministerin Tzipi Livni. Sie kommen demnach in der 120 Sitze zählenden Knesset auf 25 oder 26 Mandate, vier mehr als für Netanyahus Fraktion vorausgesagt werden.
Das wachsende Risiko einer Wahlniederlage veranlasste Netanyahu zuletzt zu dem ungewöhnlichen Schritt, dem zentristischen Politiker Moshe Kahlon schon vor der Wahl öffentlich das von diesem angestrebte Amt des Finanzministers zu versprechen. Dessen neugegründete Partei Kulanu, die sich bisher für keiner der beiden Lager entschieden hat, gilt als Zünglein an der Waage. Kahlon, der sich von Likud abgespalten hat, ging auf Netanyahus Angebot nicht ein.
Um verlorenen Boden gutzumachen, entschloss sich Netanyahu zudem kurzfristig, bei einer Großkundgebung des rechten Lagers am Sonntagabend in Tel Aviv zu sprechen, was ursprünglich nicht vorgesehen war. Dort warnte er die rund 25.000 Teilnehmer vor „einer realen Bedrohung“ der Sicherheit Israels und der Zukunft Jerusalems, sollte die Zionistische Union die Wahl gewinnen. Israel hatte Ost-Jerusalem 1967 erobert und 1980 annektiert, was von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt wird. Die Palästinenser sehen in Ostjerusalem die Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates, Israel beansprucht hingegen die ganze Stadt als „ewige, unteilbare Hauptstadt“.
Zugleich verschärfte der konservative Regierungschef in Interviews am Montag seine Angriffe auf die Herausforderer. Herzog und Livni verurteilten „den von mir veranlassten Ausbau der jüdischen Viertel in der Stadt“, sagte Netanyahu dem israelischen Nachrichtenportal „Walla“. „Sie sind fähig alles aufzugeben, unter jedem Diktat zu katzbuckeln, inklusive des Atomabkommens mit dem Iran.“
Herzog wies die Vorwürfe des Regierungschefs zurück. „Ich bin besser als jeder andere Kandidat in der Lage, Jerusalem und seine Bewohner zu schützen - und zwar mit Taten und nicht nur mit Worten“, versicherte der Vorsitzende der Arbeitspartei bei einem Besuch an der Klagemauer in der Jerusalemer Altstadt.
Prominente Unterstützung erhielt er am letzten Tag vor der Wahl noch von Ehud Barak, der es 1999 als letzter Chef der Arbeitspartei geschafft hatte, das Amt des Ministerpräsidenten zu erobern. Herzog sei so „erfahren und zuverlässig“, dass Israel seine Sicherheit beruhigt in seine Hände legen könne, erklärte Barak, der Netanyahu nach seiner ersten Regierungszeit abgelöst hatte.