Historischer Aussteiger: Alexej Leonow schwebte vor 50 Jahren im All
Moskau (APA/dpa) - Dem Triumph folgt das Drama: Als erster Mensch schwebt der Russe Alexej Leonow am 18. März 1965 im freien Weltall, doch b...
Moskau (APA/dpa) - Dem Triumph folgt das Drama: Als erster Mensch schwebt der Russe Alexej Leonow am 18. März 1965 im freien Weltall, doch bei der Rückkehr passt der Kosmonaut plötzlich nicht mehr durch die Luke. „Mein Raumanzug hatte sich wie ein Ballon aufgebläht, Einsteigen unmöglich“, schildert er später den lebensgefährlichen Zwischenfall. Vorsichtig lässt er durch ein Ventil Luft ab.
Nach 13 Minuten - „einer gefühlten Ewigkeit“ - gelingt ihm doch noch der Wiedereinstieg ins Raumschiff. Der Oberstleutnant atmet auf. Erstmals war ein Raumfahrer in den lebensfeindlichen Kosmos ausgestiegen und in die schützende Kapsel zurückgekehrt. Genau 50 Jahre ist das jetzt her.
Wortwörtlich als „Himmelfahrtskommando“ stufen Experten in Moskau das waghalsige Manöver heute ein. Der Außenbordeinsatz sei damals technisch kaum erprobt und vor allem überhastet geplant worden, meinen sie. Tatsächlich war der Ausstieg eigentlich nicht schon für März 1965 vorgesehen. Doch die Nachricht, dass ein US-Astronaut Mitte 1965 als erster Raumfahrer seine Kapsel verlassen soll, sorgt in Moskau für Aufregung. Denn die Sowjetunion und die USA befinden sich im kosmischen Wettlauf, mitten im Kalten Krieg. Hastig wird in ein „Woschod“-Raumschiff eine aufblasbare Ausstiegsschleuse eingebaut.
Es bleibt nur Zeit für einen Test - und der misslingt: Die unbemannte Kapsel explodiert bei der Prüfung. Trotzdem starten einen Monat später Leonow und Pawel Beljajew vom Weltraumbahnhof Baikonur zu ihrer historischen Mission. Bereits während der ersten Erdumrundung schwebt Leonow an einer 4,50 Meter langen Sicherheitsleine nach draußen. „Die unheimliche Stille, die mich umgab, verschlug mir die Sprache“, sagt er später in Interviews. „Ich fühlte mich wie ein schwebendes Sandkorn, ein Nichts im Unfassbaren von Raum und Zeit.“
Außenarbeiten muss er nicht absolvieren, stattdessen testet er seine Bewegungsfreiheit: Als erster Mensch schlägt Leonow Purzelbäume in der Schwerelosigkeit - der „Salto Orbitale“ ist geboren. Geblendet von der gleißenden Sonne vor pechschwarzem Himmel, rast der Russe als „lebender Satellit“ insgesamt fast 25 Minuten lang mit rund 28.000 Kilometern pro Stunde um die Erde. Er leitet damit eine Entwicklung ein, ohne die heute die Raumfahrt nicht mehr denkbar ist. Der damals 30-Jährige beweist, dass der Mensch im freien Weltall arbeiten kann - sei es an Raumstationen oder bei Missionen auf dem Mond.
Leonow trotzt auch den von Wissenschaftern vorausgesagten Gefahren der Meteoriteneinschläge und kosmischen Strahlung. Routine oder gar ein „Spaziergang“ sei dies aber auch heute nicht, meint der Kosmonaut Waleri Poljakow. „Auf der Erde bleibt Stolpern meist folgenlos, im All aber kann jeder Fehltritt zur Tragödie werden“, sagt der Russe.
Bei Leonows historischer Mission ist der aufgeblähte Anzug aber nicht das einzige Problem. Da das automatische Landesystem nicht reagiert, müssen die Kosmonauten die Kapsel von Hand steuern und die Erde einmal zusätzlich umrunden. Dabei verbrauchen sie wichtigen Treibstoff für die Bremstriebwerke. Erst rund 1.600 Kilometer vom geplanten Zielort entfernt schlägt die „Woschod“ in einem tief verschneiten Wald am Ural-Gebirge auf. Zwei Tage müssen die Männer ausharren, bis Retter die abgelegene Stelle erreichen.
Trotz der Pannen jubelt die Partei- und Staatsführung: Vier Jahre nach dem Raumflug von Juri Gagarin, dem ersten Menschen im All, ist der Klassenfeind USA ein weiteres Mal überrundet. Doch es bleibt der vorläufig letzte Triumph: Den entscheidenden Wettlauf um die erste bemannte Mondlandung verliert die UdSSR 1969. Für eine eigene Mondmission hatte die Sowjetunion eigentlich Leonow vorgesehen.