Internationale Pressestimmen zu Putin und Krim-Jahrestag

Kiew/Moskau (APA/dpa) - Zum Jahrestag des Krim-Anschlusses an Russland und den Äußerungen von Präsident Wladimir Putin dazu in einem Film sc...

Kiew/Moskau (APA/dpa) - Zum Jahrestag des Krim-Anschlusses an Russland und den Äußerungen von Präsident Wladimir Putin dazu in einem Film schreiben die Zeitungen am Dienstag:

„Wedomosti“ (Moskau):

„Mit seinem Auftritt in dem Film ‚Krim. Der Weg nach Hause‘ hat Wladimir Putin eine neue Stufe der Selbstisolierung Russlands eingeleitet (...) Denn in dem Dokumentarstreifen gab es Neues: die Einverleibung der Krim war eine Spezialoperation, die Putin selbst von Hand gesteuert hat. Zudem waren auf die Krim Einheiten des Militärgeheimdienstes GRU sowie Spezialkräfte der Marine (...) verlegt worden. Und für den Fall eines Eingreifens des Westens wurden nicht zuletzt die Atomwaffen in Bereitschaft versetzt.

Damit hat Putin innerhalb eines Jahres seine Darstellung der Operation Krim deutlich verändert. Immerhin behauptete er am 4. März 2014 noch, dass es keine russischen Soldaten auf der Halbinsel gebe und alles nur ‚Selbstverteidigungskräfte‘ seien (...) Diese Äußerungen zeigen auch, dass Putin die Meinung der USA und Europas schon gar nicht mehr interessiert. Vielmehr ist nun die Entscheidung gefallen, sich vom Westen zu verabschieden.“

„Moskowski Komsomolez“ („MK“) (Moskau):

„Wladimir Putin sah deutlich frischer aus als sein Pressesprecher, der schon ganz müde war davon, die Gerüchte über eine Krankheit des Präsidenten zu dementieren. Wohl noch nie ist ein reiner Protokolltermin mit Putin von solcher Anspannung der Medien begleitet worden (wie das Treffen mit dem kirgisischen Präsidenten). Das Erscheinen des Kremlchefs nach zehntägiger Abwesenheit wurde wie ein Himmelsgeschenk erwartet, Erstaunliches gab es dann aber nicht: Mit leichtem Schritt ging er in das Büro seiner St. Petersburger Residenz, machte es sich mit seiner üblichen lässigen Pose bequem in seinem Sessel und führte, als wäre nichts gewesen, Gespräche über russisch-kirgisische Angelegenheiten.“

„de Volkskrant“ (Amsterdam):

„Die Wahrheit und das Völkerrecht spielen keine Rolle mehr; Abschreckung und militärische Macht sind unter Putin die bevorzugten Mittel (der Außenpolitik) geworden. Auch im Inland herrscht eine Atmosphäre der Einschüchterung. Seit der Ermordung des liberalen Politikers Boris Nemzow fühlen sich prominente Vertreter der Opposition - in Russlands Medien als Landesverräter und ‚fünfte Kolonne‘ beschrieben - im eigenen Land nicht mehr sicher. Einige erwägen aus Furcht davor, dem vergifteten Klima in Russland zum Opfer zu fallen, die Flucht ins Ausland. Insbesondere seit Gerüchte über ‚Todeslisten‘ die Runde machen, auf denen ihre Namen stehen sollen. Der einstige Schachweltmeister Gary Kasparow, der in die USA geflohen war, wagte es nicht einmal, zur Beerdigung seines Freundes und Mitstreiters Nemzow nach Russland zurückzukehren.“

„Tages-Anzeiger“ (Zürich):

„Putin bekennt freimütig, er habe in Erwägung gezogen, die Atomwaffen gefechtsbereit zu machen, um notfalls damit die Krim zu verteidigen. Man muss sich die Argumentationskette des Kreml vor Augen führen, um sich den Wahnsinn dieser Aussage klarzumachen. Sie lautet so: In Kiew haben Faschisten gewaltsam die Regierung gestürzt. Nun wollen sie der russischsprachigen Bevölkerung auf der Krim an den Kragen. Um sie zu schützen, schließen wir die Halbinsel an Russland an und drohen jedem, der nicht einverstanden ist, mit der Atombombe.

So leichtfertig hat während des Kalten Krieges nie eine Seite mit der Idee gespielt, die schrecklichste Massenvernichtungswaffe einzusetzen. Man kann das als Rhetorik abtun. Aber Rhetorik in diesem Stil ist immer häufiger aus Moskau zu hören. Zusammen mit fortschreitender Abkapselung von der Welt, Wehrertüchtigung in Hochschulen und Betrieben und der unablässigen Warnung vor äußeren und inneren Feinden fügt sich das zum Bild von einem Land, das sich auf einen großen Krieg vorbereitet.“