Bürgerbeteiligung in der Wissenschaft noch „zartes Pflänzchen“

Wien (APA) - Wissenschaftliche Forschung kann den Blick von außen gut gebrauchen, aber die Beteiligung von Laien an diesen Prozessen ist aus...

Wien (APA) - Wissenschaftliche Forschung kann den Blick von außen gut gebrauchen, aber die Beteiligung von Laien an diesen Prozessen ist ausbaufähig: „Citizen Science“ ist in Österreich noch ein zartes Pflänzchen, das viel Aufmerksamkeit und Unterstützung braucht, um sein Potenzial voll zu entfalten, war der Tenor beim vom Wissenschaftsministerium veranstalteten „Science Talk“ Montagabend in Wien.

Dass Ideen und Beiträge von außen grundsätzlich erwünscht sind, kann Lucia Malfent von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft zumindest für die Psychologie bestätigen. In dem von ihr betreuten Projekt „Open Innovation in Science“ werden Bürger gezielt gefragt, welche Probleme im Bereich psychische Erkrankungen die Wissenschaft stärker aufgreifen soll. So könnten Laien direkten Einfluss auf die Wissenschaft nehmen: „Wissen ist sehr wohl auch außerhalb zu finden“, ist Malfent überzeugt.

„Das Innovationstempo ist steigerbar, indem man das System öffnet“, sagte Marie Celine Loibl, Projektleiterin des Programms „Sparkling Science“ im Wissenschaftsministerium. Mit mittlerweile über 200 Forschungsprojekten, an denen ungefähr 15.000 Schüler beteiligt waren, ist „Sparkling Science“ eine der größten derartigen Initiativen in Österreich. Unterdessen öffnet sich das Programm auch für Erwachsene, erste Pilotprojekte sind bereits angelaufen.

Für Reinhard Willfort, Direktor von ISN - Innovation Service, sind „Citizen Science“, Crowdfunding und Co. immer auch ein beidseitiger Kommunikationsweg: „Wissenschaftsthemen können so breit gestreut werden. Der Elfenbeinturm wird durchlässiger und mehr Menschen können in wissenschaftsintensive Prozesse integriert werden.“ Den Ansatz, die Bürgerbeteiligung auch als Weg zur Wissenschaftskommunikation zu nutzen, wollte Malfent präzisiert wissen: „Ich würde es schade finden, wenn man ‚Citizen Science‘ in ein Imageprojekte-Eck bringt. Es geht um echte Forschungsprojekte und mehr als darum, Wissenschaft verständlich zu kommunizieren.“

„Citizen Science“ könne als eine Art niedrigschwellige Technikfolgenabschätzung auch eine präventive Funktion erfüllen, um unnütze Innovationen bereits im Ansatz zu verhindern oder zu korrigieren, bevor viel Geld dafür verschwendet werde. „Die meisten Innovationen sind nutzlos, weil es gar keine Nachfrage danach gibt“, betonte Gert Wagner, Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Durch das Wissen einer kollektiven Intelligenz biete sich zum Beispiel die Chance, die Wichtigkeit eines Themas einschätzen zu können, erklärte Willfort anhand des Beispiels Crowdfunding: „Wenn dort Ressourcen eingesetzt werden, ist die Bedeutsamkeit des Themas so groß, dass das passieren soll.“

Einen Grund dafür, warum es nicht bereits mehr „Citizen Science“-Projekte gibt, sieht Philipp Kornfeind von der Universität Wien in den universitären Rahmenbedingungen. In den Zielvereinbarungen werde zu viel auf das Einwerben von Drittmitteln und auf Publikationen in Fachjournalen Wert gelegt, sodass die Bereitschaft des Unipersonals, zusätzliche Projekte anzugehen, sinke. „Es bedarf eines Umdenkens, damit dieser Kreislauf durchbrochen werden kann“, so Kornfeind.

(S E R V I C E - Zum Thema „Citizen Science“ ist auf APA-Science das Dossier „Die Weisheit der Masse“ erschienen: https://science.apa.at/dossier/citizenscience)