Wissen für Sieg über bösartige Krankheiten noch unzureichend 1
Wien (APA) - Das aktuelle Wissen über die offenbar sehr heterogenen Krebserkrankungen reicht für heilende Therapien auf breiter Basis noch n...
Wien (APA) - Das aktuelle Wissen über die offenbar sehr heterogenen Krebserkrankungen reicht für heilende Therapien auf breiter Basis noch nicht aus. Die Molekularbiologie ist derzeit der Forschungsschrittmacher, sie steht sogar im Begriff, die Chirurgie zu beeinflussen, hieß es Montagabend und am Dienstag bei zwei Expertengesprächen in Wien.
Im zeitlichen Umfeld der ab Mittwoch in Wien ablaufenden St. Gallen Brustkrebskonferenz mit rund 5.000 Teilnehmern hatte der Pharmakonzern Novartis für Montagabend ein Presse-Hintergrundgespräch zum Thema „Translationale Medizin“ organisiert. Darunter versteht man die möglichst enge Zusammenarbeit - „vom Krankenbett zum Labor und wieder zurück“ - zwischen Grundlagen- und klinisch tätigen Forschern.
Christoph Zielinski, Onkologe und Koordinator des Comprehensive Cancer Center (CCC) in Wien (AKH/MedUni) verwies auf die Komplexität der offenen Fragen rund um bösartige Erkrankungen. „Wir wissen nicht genau, welche genetischen Veränderungen zu Krebs führen. Wir wissen nicht genau, welche Genmutationen die Treiber der Erkrankungen sind, welche nur Trittbrettfahrer und welche genau für Resistenzmechanismen verantwortlich sind“, sagte der klinisch tätige Wissenschafter.
Bei allen Fortschritten mit der modernen und auf molekularbiologischen Befunden der Tumoren individueller Patienten basierenden „zielgerichteten Therapie“ sei man „noch weit davon entfernt“ auf breiter Ebene die Heilung von Krebskrankheiten verheißen zu können. Ein Beispiel: Die Therapie von Patienten mit fortgeschrittener Melanom-Erkrankung, bei welcher eine bestimmte Mutation im sogenannten BRAF-Gen vorliegt, zeige zwar durch ein exakt für diese Erkrankungsform entwickeltes Medikament (Ipilimumab) zunächst erstaunliche Erfolge, nach sechs bis sieben Monaten komme es aber oft zu einem Rückfall. Fortschritte sind trotzdem angesagt: Behandelt man zusätzlich mit Substanzen, welche noch „tiefer“ in der für das bösartige Zellwachstum verantwortlichen Gen-Kaskade ansetzen, bringt das offenbar einen besseren Effekt.
Dabei sind Ursachen und Verlauf von Krebserkrankungen so heterogen, dass auf jeden Fall viele verschiedene Ansätze in der Therapie notwendig sein dürften. Das trifft laut dem Chef des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) in Wien, Josef Penninger, sogar auf einzelne Tumore zu. „Tumore sind oft heterogen. Ein Teil der Tumorzellen hat bestimmte Mutationen, ein anderer Teil nicht.“ Zielinski ergänzte dazu: „Keine Zelle ist so wie die andere. ‚Infizieren‘ sich Zellen gegenseitig mit molekularbiologischen Veränderungen? Wir haben den Eindruck, sie können das.“