Steuern - Touristiker auf den Barrikaden: „Wir sind die Lackierten“

Wien (APA) - Mehrwertsteuererhöhung, Registrierkassenpflicht, Einsicht der Finanz in Bankkonten: Österreichs Touristiker sehen sich von der ...

Wien (APA) - Mehrwertsteuererhöhung, Registrierkassenpflicht, Einsicht der Finanz in Bankkonten: Österreichs Touristiker sehen sich von der Steuerreform auf der ganzen Breitseite betroffen und haben heute, Dienstag, vor dem Kanzleramt protestiert und den Verantwortlichen in der Regierung eine Unterschriftenliste übergeben. Mindestens 100 Mio. Euro pro Jahr sollen auf die Hoteliers an Belastungen zukommen.

Die geplante Mehrwertsteuererhöhung auf Hotelübernachtungen von 10 auf 13 Prozent ab 1. April 2016 verschlechtere die Wettbewerbsfähigkeit der Branche massiv, sagte Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung (ÖHV) bei einer anschließenden Pressekonferenz. Das Problem: Die Hotelbesitzer können die Preise nicht so einfach an die Gäste weitergeben. „Wenn es so einfach wäre, die Zimmerpreise zu erhöhen, hätten wir‘s schon getan.“

Durch Online-Buchungsplattformen sei die Preisgestaltung in der Hotelbranche sehr transparent. Petra Nocker-Schwarzenbacher von der Wirtschaftskammersparte Tourismus schätzt, dass die Hoteliers mindestens 40 Prozent der zusätzlichen Steuerbelastung selbst tragen müssen - das seien mindestens 100 Mio. Euro im Jahr. „Bei den Tageslistenpreisen wird die Steuererhöhung natürlich eingepreist“, erklärte Nocker-Schwarzenbacher. Bei Paketpreisen, etwa Last-Minute-Angeboten, die übers Internet gebucht werden, sei das nicht möglich. Was die Touristiker besonders ärgert: Beim Online-Zimmervermittler AirBnB, einer mittlerweile ernstzunehmenden Konkurrenz, schaue puncto Steuern niemand hin.

Laut Reitterer empfiehlt die EU auf Logis lediglich einen Mehrwertsteuresatz von 5 Prozent. Im Nachbarland Deutschland habe man die Abgabe auf 7 Prozent gesenkt, in der Schweiz betrage sie nur 3,5 Prozent. Im Hotelpreisranking wäre Österreich nach der Steuererhöhung das zweitteuerste Land in Europa nach der Schweiz. Momentan liegt die Alpenrepublik auf Platz vier, Norwegen und Großbritannien rangieren auf den Plätzen 2 und 3. Betroffen von der Erhöhung wären 18.000 Betriebe mit 86.000 Mitarbeitern.

„250 Mio. Euro will Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) so hereinspielen. Das kann nicht funktionieren“, meint ÖHV-Präsident Gregor Hoch. Österreichs Top-Hotellerie blieben lediglich 2 Prozent ihres Umsatzes als EGT (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit), das „Belastungspaket“ werde mindestens die Hälfte der Betriebe in die Verlustzone bringen. „Ein bisschen Nachjustieren“ reicht aus Sicht des Hoteliersvertreters nicht, die Touristiker setzen ihre Hoffnung nun auf die Tourismussprecher in den Parteien. Diese sollten die notwendigen Budgetbegleitgesetze nicht so einfach durchwinken. Denn „Abwandern können wir nicht“. Sehr wohl sehen die Branchenvertreter aber Arbeitsplätze und Investitionen gefährdet. Ein Großarler Hotelier habe schon angekündigt, seine Millioneninvestition statt in seinem Heimatort in Deutschland zu tätigen, sollte die Steuerreform so kommen.

Ein großer Dorn im Auge ist den Touristikern auch die geplante Registrierkassenpflicht, da diese vor allem Klein- und Kleinstbetriebe übermäßig treffe. Helmut Hinterleitner vom WKÖ-Fachverband Gastronomie glaubt nicht, dass die Kassensysteme nur 400 Euro kosten werden, die vom Finanzminister angekündigte Unterstützung in Höhe von 200 Euro seien „Peanuts“. Zu den reinen Anschaffungskosten kämen ja auch noch der Chip für die Anbindung ans Finanzministerium sowie die Wartung, argumentierte Nocker-Schwarzenbacher. In der Wirtschaftskammer rechnet man allein für die Mitglieder der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft mit Anschaffungskosten von 90 Mio. Euro und 40 Mio. an Kosten für die Umstellung auf das angedachte INSIKA-System. Die Hälfte der 90.000 Spartenmitglieder hat bisher keine Registrierkasse.

Die Registrierkassenpflicht soll Steuerhinterziehung hintanhalten und dem Finanzminister 900 Mio. Euro in die Kasse spülen. Künftig müssen Betriebe, die überwiegend Bargeld umsetzen, über eine Registrierkasse verfügen - und zwar schon ab einem Nettojahresumsatz von 15.000 Euro. Bisher lag die Grenze bei 150.000 Euro. Für Berufe mit „kalten Händen“, etwa Maronibrater, soll die Umsatzgrenze 30.000 Euro betragen, bis dato waren diese von der Kassenpflicht ausgenommen. Mobile Gruppen wie Masseure oder Friseure dürfen händisch aufzeichnen, müssen ihre Umsätze aber im Nachhinein via Registrierkasse am Betriebsort erfassen. Laut WKÖ kostet eine mobile Registrierkasse mindestens 3.000 Euro, die Umrüstung fange bei 900 Euro an.

Für Hinterleitner jedenfalls ist „das Fass übervoll“. Wenn die Registrierkassenpflicht schon kommt, dann sollten zumindest auch Vereine eine Kasse haben müssen, um Chancengleichheit herzustellen, fordert er. Bei Feuerwehrfesten und Co. agierten diese als Gastronomen. Ebenfalls kritisch sieht der Wirtevertreter die geplante teilweise Aufhebung des Bankgeheimnisses, die einer Pauschalverurteilung der Branche gleichkomme. „Dann sind wir der Willkür der Finanzprüfer ausgeliefert.“ Nocker-Schwarzenbacher findet: „Wir haben uns das nicht verdient. Die Tourismusbranche sichert Arbeitsplätze bis ins letzte Tal. Wir hoffen, dass unsere Nachkommen die Betriebe übernehmen können.“

Die ÖHV-Online-Petition „Herr Finanzminister: Urlaub darf nicht teurer werden!“ haben bisher etwas über 1.900 Personen unterzeichnet. Wirtschafts- und Tourismusminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), gegen den sich die Wirtschaftskammerproteste u. a. richten, war früher selbst Vizegeneralsekretär der Kammer.