Knappes Rennen bei israelischer Parlamentswahl erwartet
Jerusalem (APA/Reuters/dpa/AFP) - In Israel haben am Dienstag vorgezogene Parlamentswahlen stattgefunden. Regierungschef Benjamin Netanyahu ...
Jerusalem (APA/Reuters/dpa/AFP) - In Israel haben am Dienstag vorgezogene Parlamentswahlen stattgefunden. Regierungschef Benjamin Netanyahu und Oppositionsführer Isaac (Yitzhak) Herzog haben am Dienstag in Jerusalem und Tel Aviv ihre Stimme abgegeben. Ein knappes Rennen wurde erwartet. Letzte Umfragen sahen Herzogs Mitte-Links-Bündnis leicht vorn.
In einem dramatischen Appell rief Netanyahu rechtsorientierte Wähler zur Rettung seiner Machtbasis auf. „Die Herrschaft der Likud-Partei ist in Gefahr“, schrieb Netanyahu am Tag der Wahl auf seiner Facebook-Seite. „Arabische Wähler gehen in Massen in die Wahllokale, linksorientierte Organisationen bringen sie in Bussen dorthin.“ Erst am Vortag hatte der 65-jährige Ministerpräsident eine Kehrtwende in seiner Palästinenser-Politik vollzogen und eine Zweistaaten-Lösung ausgeschlossen.
Netanyahu schloss dabei erneut eine Koalition mit dem Zionistischen Lager aus. „Es wird keine Einheitsregierung mit der Arbeitspartei geben. Ich werde eine nationalistische Regierung bilden“, sagte Netanyahu bei der Stimmabgabe in Jerusalem. Sein erster Koalitionspartner werde die national-religiöse Siedlerpartei sein.
Oppositionsführer Herzog gab in Tel Aviv seine Stimme ab. Dabei warb er noch einmal für sein Zionistisches Lager. „Wer Bibis Weg zu Verzweiflung und Enttäuschung folgen will, kann für ihn stimmen, doch wer Hoffnung, Wandel und eine wirklich bessere Zukunft für Israel möchte, sollte die Zionistische Union wählen“, sagte Herzog am Dienstag bei der Stimmabgabe in Tel Aviv. Das Oppositionsbündnis ist ein Zusammenschluss der sozialdemokratischen Arbeitspartei von Herzog und der in der politischen Mitte angesiedelten Partei Hatnua (Die Bewegung) von Tzipi Livni.
Die Opposition wirft Netanyahu vor, eine Politik der Angst zu betreiben und durch den Siedlungsbau nicht nur die Palästinenser gegen sich aufgebracht, sondern auch die USA als wichtigsten Verbündeten verprellt zu haben. Allerdings spielte die Palästinenser-Frage keine zentrale Rolle im Wahlkampf. Beobachter sind zudem skeptisch, dass Herzog im Fall eines Sieges einen deutlichen Kurswechsel vollziehen würde.
Erstmals traten die arabischen Israelis mit einer Gemeinsamen Liste an, die drittstärkste Kraft im Parlament werden könnte. „Dies ist ein historischer Tag für die Araber, heute geben wir unsere Antwort auf Rassismus und jene, die uns ausschließen wollen“, sagte der Chef der Gemeinsamen Liste, Aiman Odeh, auf dem Weg zur Stimmabgabe. Mit 15 Abgeordneten könnte seine Liste die Entscheidungen wesentlich beeinflussen.
Israels Präsident Reuven Rivlin verband seine Wahl mit einem Appell an die Bevölkerung. Seine Eltern hätten bei ihrer Stimmabgabe nach der Gründung Israels festliche Kleider getragen, um diesen Tag gebührend zu begehen, so Rivlin. „Auch heute feiern wir die Demokratie“, sagte Rivlin in Jerusalem. „Ich rufe alle israelischen Bürger dazu auf, nicht nur zu feiern, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und die ihrer Meinung nach richtige Zukunft für ihren Staat zu bestimmen, jeder nach seinem Weltbild“, fuhr Rivlin fort.
Die Wahlbeteiligung lag bis zu Mittag bei 26,5 Prozent, etwa wie bei der letzten Wahl im Jahre 2013 zur gleichen Zeit. Rund 5,9 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, 120 Abgeordnete der Knesset zu wählen. Die Parlamentsneuwahl war notwendig geworden, nachdem Netanyahus Mitte-Rechts-Koalition Ende vergangenen Jahres nach weniger als zwei Jahren im Amt auseinandergebrochen war.
Jüngste Umfragen sagen für den Likud 20 bis 22 Sitze in der Knesset voraus, für das Linksbündnis 24 bis 26 der insgesamt 120 Sitze. Das neue arabische Parteienbündnis könnte laut Umfragen drittstärkste Kraft werden. Insgesamt traten 25 Parteien und Listen an.
Auch Herzog vollzog am Vorabend der Wahl eine Kehrtwende und erklärte ein Rotationsabkommen zwischen ihm und Livni für nichtig. Dieses sah vor, dass im Falle eines Sieges beide abwechselnd die Rolle des Ministerpräsidenten übernommen hätten. Dieses Abkommen habe jedoch einige Wähler verprellt, begründete Herzog die Rücknahme der Vereinbarung.
Erste Prognosen und Hochrechnungen sind kurz nach Schließung der Wahllokale um 21.00 Uhr MEZ zu erwarten.