Betriebe wollen Energieeffizienz-Kosten für Haushalte nicht mittragen

Wien (APA) - Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) wirft Stromversorgern ein vorzeitiges Kassieren von Energieeffizienz-Abgeltungen bei Bet...

Wien (APA) - Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) wirft Stromversorgern ein vorzeitiges Kassieren von Energieeffizienz-Abgeltungen bei Betrieben vor, noch ehe die Höhe genau feststehe. Kosten des Gesetzes könnten nicht beliebig überwälzt werden, schon gar nicht als einseitige Strompreis-Erhöhungen, hieß es am Dienstag unter Berufung auf ein Rechtsgutachten. Die E-Wirtschaft weist die Kritik zurück.

Von WKÖ-Mitgliedsbetrieben habe man viele Briefe von Versorgern erhalten, in denen etwa mit der Kündigung des Vertrags gedroht werde, wenn sie einer damit begründeten Preisanhebung widersprechen, berichtete Stephan Schwarzer, Leiter der WKÖ-Umwelt- und Energiepolitik-Abteilung, vor Journalisten: „Das ist sehr breit auf uns hereingeprasselt vom Bodensee bis zum Neusiedler See.“

Dabei müssten doch die EVU die Ausgleichszahlungen gemäß Energieeffizienzgesetz (EEffG) selbst erstmals erst im Februar 2016 an den Bund abführen, wundert sich der Kämmerer. Besonderes Kuriosum sei, dass von einem Kunden, der gar nicht mehr Kunde sei, sogar rückwirkend für das Jahr 2014 die Nachzahlung eines Effizienz-Zuschlags verlangt worden sei - „von einem sehr großen bundesweit agierenden Stromunternehmen“ -, das sei „die Spitze des Eisbergs“.

Insbesondere will die Kammer nicht, dass Betriebe auch für jene Effizienzmaßnahmen mitzahlen müssen, die im Bereich der privaten Haushalte zu erzielen sind, diesen aber nicht finanziell angelastet werden dürfen. „Es kann nicht sein, dass die Kunden ab 100.000 kWh Jahresverbrauch auch Lasten der Haushalte tragen müssen“, betonte die WKÖ am Dienstag. „Der Mittelstand kann nicht allein die Last tragen“, so Schwarzer, wo doch die Haushalte in Summe sogar mehr einsparen müssten als die Wirtschaft.

In dieses Horn stößt auch der emeritierte Wirtschaftsrechts-Professor Heinz Krejci, der für die Kammer dazu ein fast 80-seitiges Gutachten erstellt hat. „So geht‘s net“, lautet dem Juristen zufolge die Kernaussage seiner Expertise. Wenn den Haushalten Effizienz-Ausgleichszahlungen nicht anzulasten seien, „darf man es sich nicht von den anderen Kunden holen, das wäre eine Benachteiligung der unternehmerischen Kunden“.

Laut Gutachter dürften Energieversorger vereinbarte Preise für gelieferte Energie nicht einseitig nach Belieben erhöhen. Und es dürften nicht künftig vielleicht anfallende Kosten, die den Energielieferanten durch die Zahlungen von Ausgleichsbeträgen nach dem EEffG an den Bund treffen könnten, „vorsorglich“ auf die Betriebe abgewälzt werden. Das entspräche dem „Modell ‚Friss oder stirb‘“, wenn eine Kundengruppe auch für andere die Kosten übernehmen solle.

Einseitige Preiserhöhungen, die auf keinen gültigen Preisanpassungsklauseln beruhen, seien unzulässig, belegt das Gutachten aus Sicht der Kammer. Vor allem dürften solche Klauseln den Energielieferanten nicht unsachlich einseitig bevorzugen. Die von den EVU intendierten Kostenüberwälzungen seien erst dann ins Auge zu fassen, wenn zuvor alle kostengünstigen Möglichkeiten der Erfüllung der Einsparverpflichtung ausgeschöpft worden seien.

Vorweg-Überwälzungen, die annehmen, dass alle Einsparbemühungen erfolglos bleiben, würden auf ein späteres „Körberlgeld“ hoffen, das den Kunden nicht zurückgegeben werde. Einige EVU würden offenbar „den worst case als Mindestbetrag auf jede Kilowattstunde schmeißen“, kritisierte Krejci, doch „anrechenbare Einsparmaßnahmen müssten jedenfalls abgezogen werden“.

Die E-Wirtschaft wies am Mittwoch die Kritik an der Kostenweitergabe für Effizienzmaßnahmen zurück. Die E-Wirtschaft sei verpflichtet, Effizienzprojekte durchzuführen. Effizienzkosten seien nun einmal Teil des Energiepreises. Die von Unternehmen der Strombranche mit der Information von Kunden gestarteten Maßnahmen würden völlig konform gehen mit den Vorgaben des Energieeffizienzgesetzes und den zwischen Lieferant und Kunde vereinbarten individuellen Lieferverträgen im Gewerbe- und Industriebereich, hieß es in einer Aussendung des Branchenverbandes „Oesterreichs Energie“. Es sei zu erwarten, dass sämtliche Lieferanten Maßnahmen setzen werden oder am Markt anrechenbare Effizienzmaßnahmen zukaufen müssen, „das kostet Geld“.

Krejci betonte, was die Möglichkeiten von EVU in Sachen Änderungskündigung oder einvernehmliche Änderung einer Preisvereinbarung bis hin zu einer einvernehmlichen Änderung des Angebots betreffe, so werde der Kleinunternehmer in der Judikatur sehr oft dem Haushaltskunden gleichgesetzt - bei Großkunden sei das eventuell etwas anders. Und zur Zulässigkeit von Preisklauseln sei allgemein anerkannt, dass auch bei Firmen Kriterien des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) als Maßstab herangezogen würden, wenn es im Sinne des § 879 Abs. 3 ABGB um die Konkretisierung des Tatbestandes der gröblichen Benachteiligung durch vertragliche Nebenbestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gehe, „dazu gibt es einen Berg von Judikatur“.

Das Schweigen eines Kunden könne nicht automatisch als Zustimmung zum neu angebotenen Preis angesehen werden, denn dies würde nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln eine zweifelsfreie Situation voraussetzen, so der Jurist. Diese liege hier aber nicht vor.

Es sollten nicht schon vorweg 0,12 Cent pro Kilowattstunde an Effizienzzuschlägen in den Strompreis eingerechnet werden dürfen, meinte Schwarzer: Das zu Halbieren oder sogar zu Dritteln werde kein besonderes Kunststück sein. „Nach realistischer Einschätzung dürften maximal 30 Mio. Euro als Kostenbelastung übrig bleiben, wenn alle Maßnahmen ausgeschöpft werden“, argumentiert die Wirtschaftskammer. „Die Versorger sollen wieder auf den Boden des Rechts zurückkehren“, forderte Schwarzer: „Eine Prozessflut wünschen wir uns alle nicht.“ Krejci dagegen meinte: „Da wird sich schon ein Rechtsanwalt finden, der eine Sammelklage macht.“

Nach Angaben aus der Strombranche geht es bei der Überwälzung von Ausgleichsbeträgen der Höhe nach um etwa zwei Prozent des Strompreises für Betriebe, setzt man die 0,12 ct in Relation zu den Stromkosten von etwa 6 ct/kWh. Freilich heißt es, dass manche Firmen gar nichts dagegen hätten, wenn ihnen frühzeitig voraussichtliche Effizienz-Kosten laufend in Rechnung gestellt würden, wenn sie damit spätere Nachzahlungen vermeiden könnten.

Die 0,12 Cent je kWh ergeben sich übrigens durch eine Multiplikation des im Gesetz fixierten Strafbetrags von 20 Cent je kWh mit 0,6 Prozent Einsparvolumen jeweils bezogen auf den vorjährigen Energieabsatz. Die E-Control hatte laut Schwarzer ursprünglich dafür 12,2 ct errechnet, auf Betreiben der Grünen seien dann 20 ct ins Gesetz geschrieben worden. Tatsächlich dürfe aber nur die nicht durch Einsparungen erzielte Lücke bestraft werden: „Der Gesetzgeber will, dass zwei Drittel tatsächlich eingespart werden. Das Gesetz ist kein Abgabengesetz.“ Solche Einsparungen seien schon möglich, obwohl es die Monitoringstelle und die Richtlinienverordnung noch nicht gebe.

Würden die 20 Cent „voll“ durchschlagen - wenn kein Verpflichteter Energiesparmaßnahmen setzt - so kämen laut Schwarzer rund 300 Mio. Euro heraus, bei 12,2 Cent Ausgleichsvolumen wären es 200 Mio. Euro; allerdings ginge es dabei bei weitem nicht mehr nur um Strom, sondern auch um andere Energieträger.

~ WEB http://wko.at ~ APA414 2015-03-17/14:44