Streit mit Griechenland - „Merkel, übernehmen Sie!“
Athen/Berlin (APA/Reuters) - In der Politik macht oft der Ton die Musik. Die Debatte über die Lage des finanziell angeschlagenen Euro-Landes...
Athen/Berlin (APA/Reuters) - In der Politik macht oft der Ton die Musik. Die Debatte über die Lage des finanziell angeschlagenen Euro-Landes Griechenland ist deshalb so heftig, weil es aus Athen und Berlin gegenseitige, auch persönliche Vorwürfe hagelt. Vor allem das Verhältnis der Finanzminister gilt als schwer belastet.
Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt die Reißleine gezogen und den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras kommenden Montag nach Berlin eingeladen. Nun sollen die Chefs sich mit der Frage beschäftigen, wie Griechenland in der Euro-Zone gehalten werden kann.
Warum dies nötig war, zeigen die Ereignisse der vergangenen Tage. Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis ist mehr damit beschäftigt, die Entstehung von Videos aus seiner Oppositionszeit aufzuklären, in denen er Deutschland einen „Stinkefinger“ zeigte, oder sich für bunte „Home-Stories“ in einem französischen Hochglanz-Magazin zu entschuldigen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wiederum redete sich am Montagabend in Berlin erneut seinen Frust mit den griechischen Verhandlungspartnern von der Seele.
Kurz nachdem Merkel mit Tsipras telefoniert hatte, sagte Schäuble der neuen Regierung nicht nur sinkende Touristenzahlen voraus. Er betonte auch, dass die Links-Rechts-Regierung von Tsipras das komplette Vertrauen verspielt habe. Dies gilt regierungsintern zwar als richtig - aber nicht unbedingt als Beitrag zur Völkerverständigung.
Öffentlich wird aber jede gemeinsame Verantwortung beider Finanzminister für die Sprachlosigkeit gerade in der Union entschieden und fast empört zurückgewiesen. Sowohl der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, als auch CSU-Landsgruppenchefin Gerda Hasselfeldt verteidigten Schäubles Kritik ausdrücklich. „Das ist ja keine Einzelmeinung des deutschen Finanzministers“, betonte der CDU-Politiker.
Doch hinter den Kulissen ist man weniger glücklich, dass Schäuble in dem Dauerstreit nicht sein Pokerface wahre. „Das erklärt sich damit, dass er persönlich dauernd angegriffen wurde“, heißt es entschuldigend in der Fraktion. Gerade weil Schäuble ein überzeugter Europäer sei, verletzten ihn die Angriffe aus Athen.
Hasselfeldt allerdings begrüßte, dass die Gespräche nun stärker aus den Händen der Fachleute auf die Chefs verlagert werden. Denn Schäuble schaue natürlich auf die Finanzen - Merkel müsse aber das übergeordnete Bild im Blick haben. Im Klartext: Oberste Mission muss schon aus außen- und europapolitischen Überlegungen sein, Griechenland im Euro-Raum zu halten. Kein Wunder, dass Regierungssprecher Steffen Seibert sich am Montag ausdrücklich nicht der Bemerkung Schäubles anschließen wollte, dass ein Grexit - also ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro - möglich sei. Darüber redet man nicht, auch wenn niemand weiß, ob sich dies verhindern lässt.
Wesentlich wichtiger bei der stärkeren Betonung der Chefgespräche ist der Hintergedanke, Ministerpräsident Tsipras stärker in die Verantwortung zu nehmen - und damit den als dogmatisch eingestuften Finanzminister Varoufakis zu umgehen. Auf seinem ersten EU-Gipfel im Februar war der Syriza-Chef als Neuling noch betont nett empfangen worden - obwohl keine der 27 anderen EU-Regierungen Sympathie für das Linksaußen-Rechtsaußen-Bündnis in Athen hegt.
Aber auf dem am Donnerstag beginnenden Gipfel dürfte Tsipras merken, dass seine Schonzeit vorbei ist. Das bekam er schon zu spüren, weil ihm sowohl in Paris als auch in Brüssel Gesprächswünsche versagt wurden. EU-Ratspräsident Donald Tusk mahnte offen, auf dem Gipfel seien keine blumigen Referate gefragt, sondern konkrete Ankündigungen, wie Athen die Zahlungsunfähigkeit abwenden wolle.
Tsipras soll vor allem klar gemacht werden, dass am Ende er als Regierungschef die Verantwortung für ein Scheitern Griechenlands tragen werde - nicht etwa Varoufakis. Dass es dem Syriza-Chef nicht leicht fallen wird, nun mit entscheidenden, aber aus Sicht der anderen Europäer unrealistischen Wahlversprechen zu brechen, wird dabei als Hürde anerkannt - ebenso wie Tsipras‘ hohe Zustimmungswerte in Griechenland selbst. Aber Teil der „Chef-Behandlung“ vom EU-Gipfel bis zum Treffen mit der Kanzlerin am Montag ist es, Tsipras klarzumachen, dass dem Wählerwillen in Griechenland der Wählerwillen in allen anderen, meist wesentlich größeren Euro-Ländern gegenübersteht.
Eines werde Merkel aber auf keinen Fall tun, heißt es in Berlin. Sie wird anders als der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, keine Regierungsumbildung oder gar neue Koalition in Athen fordern. „Das ginge nur nach hinten los“, heißt es. Daran ändert auch die vorherrschende Meinung nichts, dass ein neuer griechischer Finanzminister oder eine Koalition ohne die Rechtsnationalisten eine Lösung sicher einfacher machen würde. „Aber wenn der Rat von außen kommt, wird das einen Regierungsumbau eher noch verzögern“, heißt es.