Kein Rezept für den griechischen Patienten

Athen (APA/dpa) - Wolfgang Schäuble lächelt und schaut sich um. Es ist ein bisschen eng im holzgetäfelten Auditorium der Akademie der CDU-na...

Athen (APA/dpa) - Wolfgang Schäuble lächelt und schaut sich um. Es ist ein bisschen eng im holzgetäfelten Auditorium der Akademie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Viele junge Leute sind da. Sie wollen vom deutschen Finanzminister hören, was die Politik gegen die dramatisch hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa tut.

Schäuble hat an diesem Montagabend 60 Minuten Zeit mitgebracht - „netto“, wie die Moderatorin stolz verkündet. Sparringspartner ist DGB-Chef Reiner Hoffmann. Rasch fällt das Stichwort Griechenland. Erst ziert sich Schäuble, dann lässt er sich darauf ein - mit den bekannten Folgen.

Schäuble hat eine Anekdote mitgebracht. Es sei mal einer in der Ägäis Segeln gewesen - Schäuble spielt auf SPD-Chef Sigmar Gabriel an, der in den Ferien gerne in Griechenland herumschippert: „Er kam zurück und hat gesagt: Ich hab‘ nicht an einem einzigen Abend um fünf Uhr abends noch meine Hafengebühr bezahlen können, weil in keiner lokalen Verwaltung noch einer da war, der bereit war, das Geld entgegenzunehmen und die Stromgebühren zu kassieren“, erzählt Schäuble. „Das ist der Zustand Griechenlands.“

Dann lässt Schäuble viele harsche Sätze an die Adresse der neuen Regierung in Athen heraus, die er hinter den Kulissen oft erzählt, die ja auch auf Fakten beruhen, aber in der äußerst angespannten Situation doch wie Öl für das deutsch-griechische Feuer wirken. Die Abrechnung mit Athen mündet in dem vernichtenden Fazit: „Sie haben alles Vertrauen zerstört.“

Fast zeitgleich gibt Angela Merkels Regierungssprecher die Info heraus, dass die Kanzlerin den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras für diesen Montag nach Berlin eingeladen hat. Das ist, vor dem EU-Gipfel diese Woche in Brüssel, eine Geste des guten Willens - die Schäuble torpediert. Gutes Timing sieht anders aus, oder wird hier nur das Spiel „guter und böser Polizist“ aufgeführt?

Schäuble wirkt bei dem Auftritt am Montagabend weder geladen noch unbeherrscht. Wie immer setzt er seine Worte aber bewusst. Vor ein paar Tagen löste sein Satz vom „Graccident“ europaweit gewisse Schockwellen aus. So dürfte Schäubles Rede vor allem den Frust und die Ratlosigkeit der Bundesregierung offenbart haben. Niemand in Berlin weiß genau, wie leer die Kassen in Athen sind. Dazu kommt die Wut über das ständige Störfeuer aus Athen, die selbstgefälligen Auftritte des Finanzminister Gianis Varoufakis, der Abmachungen breche, kaum dass die Kollegen den Saal verließen, ätzte Schäuble.

Die deutsche Bundesregierung betont beharrlich, sie wolle Athen auf jeden Fall im Euro behalten. Würde Berlin aber ein Scheitern von Tsipras in Kauf nehmen, gar ein Referendum über den Verbleib der Griechen im Euroraum? Das könnte Populisten in ganz Europa weiter stärken. Seit Monaten behaupten Koalitionspolitiker, von Athen gingen anders als früher keine Ansteckungsgefahren für die Eurozone mehr aus. Das hört sich bei EZB-Chef Mario Draghi, der vehement mehr Macht für Europas Institutionen fordert, anders an: „Was in jedem Einzelstaat passiert, ist nicht nur in nationalem Interesse, es ist im kollektiven Interesse.“

Auch die USA machen sich Sorgen und dringen auf eine rasche Lösung. Am Dienstag kam die Europa-Expertin des Außenministeriums, Victoria Nuland, nach Athen, um Tsipras zu treffen. Griechenland ist NATO-Mitglied. Sollten die Hellenen aus dem Euroraum ausscheiden, könne dies schwerwiegende Folgen für die Südostflanke des westlichen Militärbündnisses haben, hieß es. Sehr genau wird registriert, dass jetzt der russische Präsident Wladimir Putin Tsipras eingeladen hat. Tsipras‘ Büro bestätigte, dass dieser am 8. April nach Moskau reisen wird. So ist in Athen die Hoffnung groß, dass Merkel und Tsipras sich in ein paar Tagen in Berlin im Schuldendrama zusammenraufen. Immerhin reden sie miteinander. Es werde kein Treffen, um nur nette Fotos zu machen. Auch Merkel kündigt in der Unionsfraktion an, sie wolle nichts unversucht lassen.