Rezept gegen die Ehekrise
Gnadenloser Gedankenstriptease: In „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“ schickt Sibylle Berg ein Paar in der Krise auf der Suche nach sich selbst.
Von Friederike Gösweiner
Innsbruck –Wenn man sich Anfang vierzig endgültig eingestehen muss, dass die Jugend ein für alle Mal vorbei ist, schlittern viele – Männer wie Frauen – in die Midlife-Crisis. Wie das aussehen kann, zeigt Sibylle Berg in ihrem jüngsten Roman „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“.
Dort heißt die Midlife-Crisis Benny, hat kupferrote Haare und einen perfekten Körper, arbeitet als Masseur in jenem Tourismusort eines Entwicklungslandes, in dem sich die midlife-krisengeschüttelte Chloe mit Langzeit-Ehemann Rasmus aufhält. Chloe ist mit Rasmus dort aber nicht etwa auf Urlaub, sondern auf einer Mission: Einst aufstrebender Jungregisseur, inzwischen jedoch nur noch Provinz-Inszenierer, engagiert er sich in der Dritten Welt sozial und will den Einheimischen mit deutscher Lyrik ein kritisches Bewusstsein ihrer eigenen Lage einimpfen – und nebenbei Schlagzeilen machen, um seine eigene Karriere wieder in Schwung zu bringen. Wie so vieles in seinem Leben gelingt aber auch dies Rasmus nicht wirklich, die Einheimischen interessieren sich eher für Alkohol als für Goethe, aber die wirkliche Katastrophe bricht erst ein paar Tage vor dem Rückflug in die Schweizer Heimat über Rasmus herein: Chloe, seine Frau und beste Freundin seit zwanzig Jahren, verlässt ihn von einem Tag auf den anderen, um in einem eigenen Hotelzimmer mit Masseur Benny den Sex ihres Lebens zu haben; und zwar jede Menge davon.
Am Flughafen erscheint sie dennoch, aber es ist nicht mehr die Chloe, die Rasmus kennt. Zuhause versinkt sie in Depressionen – bis Benny einfliegt. Chloe stellt Rasmus vor die Wahl: Auszug oder Ménage-à-trois, und Rasmus entscheidet sich zähneknirschend für Letzteres. Er beschließt, die Sache auszusitzen, obwohl er leidet. Auch wenn er, ganz moderner Mann, sich tapfer bemüht, den plötzlich so heftigen Sexualdrang seiner Frau zu verstehen, und sich selbst sexuell zu öffnen versucht, sodass bald alle zu dritt im Bett landen, am Ende zerbricht buchstäblich der Schmerz das Herz des gehörnten Ehemanns: Rasmus landet in der Klinik. Ausgerechnet dort aber finden die beiden Eheleute auf wundersame Weise wieder zueinander: Schließlich darf sich Chloe auch behandeln lassen, weil sie sich mit Streptokokken und Syphilis infiziert hat...
Wer Sibylle Berg kennt, weiß, was er von der Lektüre ihres neuesten Coups erwarten kann: jede Menge Zynismus, bitterböse Pointen, kräftige Übertreibungen. „Der Tag, an dem meine Frau einen Mann fand“ birgt all das – und läuft trotzdem mit Fortschreiten der Handlung irgendwann ins Leere. Anfangs wirkt die Erzählanlage des Romans, die ausschließliche Innensicht der beiden Eheleute, die abwechselnd zu Wort kommen und einander ständig konterkarieren, amüsant. Irgendwann aber wird das anstrengend, die gegenseitigen gedanklichen Sticheleien werden vorhersehbar. Denn feine Zwischentöne oder eine komplexe Figurenpsychologie gibt es bei Sibylle Berg nicht, und nachdem die Story in der zweiten Romanhälfte völlig ins Groteske kippt, verliert sie auch irgendwann die Glaubwürdigkeit.
Natürlich kann man über den Gedankenstriptease dieser beiden abgehalfterten Eheleute, die sich bis zum Romanende wirklich der völligen Lächerlichkeit preisgeben, lachen – wenn man den Berg’schen Zynismus mag. Neue Einsichten darf man sich von „Der Tag, an dem meine Frau einen Mann fand“ aber keine erwarten.
Roman Sibylle Berg: Der Tag, an dem meine Frau einen Mann fand. Hanser, 256 Seiten, 19,90 Euro.