Israel-Wahl - Nachwahlbefragungen deuten auf Pattsituation hin
Jerusalem/Tel Aviv (APA/AFP/Reuters/dpa) - Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Israel zeichnet sich eine Pattsituation ab. Nachwahlbefrag...
Jerusalem/Tel Aviv (APA/AFP/Reuters/dpa) - Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Israel zeichnet sich eine Pattsituation ab. Nachwahlbefragungen und ersten Hochrechnungen zufolge lagen am Dienstagabend die rechtsgerichtete Likud-Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und das oppositionelle Mitte-links-Bündnis Zionistische Union von Oppositionsführer Isaac (Yitzhak) Herzog in etwa gleichauf.
Netanyahus Partei schnitt damit besser ab als in den Umfragen erwartet. Er reklamierte im Internetdienst Twitter einen „großen Sieg für den Likud“. Herausforderer Herzog wollte sich kurz nach Mitternacht (Ortszeit) vor seinen jubelnden Anhängern in Tel Aviv freilich nicht geschlagen geben. „Alles ist noch offen“, sagte der 54-Jährige. Er werde sich für die Bildung einer Regierung einsetzen, die für Frieden mit Israels arabischen Nachbarn und soziale Gerechtigkeit kämpfen werde.
In ersten Prognosen auf Basis von Nachwahlbefragungen zweier Fernsehsender kurz nach der Schließung der Wahllokale am Abend kamen der Likud und die Zionistische Union auf jeweils 27 Parlamentssitze. In einer weiteren Befragung errang der Likud 28 Mandate und damit eines mehr als die Zionistische Union.
Staatspräsident Reuven Rivlin sprach sich gleich nach Veröffentlichung der Exit Polls für die Bildung einer Großen Koalition aus Likud und Zionistischer Union aus. „Ich bin überzeugt, dass nur eine Einheitsregierung den raschen Zerfall der israelischen Demokratie und baldige Neuwahlen verhindern kann“, sagte Rivlin der Zeitung „Haaretz“ zufolge. Eine Einheitsregierung haben sowohl Netanyahu als auch Herzog vor der Wahl abgelehnt.
Drittstärkste Fraktion in der 20. Knesset wird den ersten Prognosen zufolge die Vereinigte Liste der arabischen Parteien. Auf sie entfielen demnach zwölf oder 13 der insgesamt 120 Sitze. Die wichtigsten politischen Strömungen der arabischen Minderheit in Israel waren erstmals gemeinsam angetreten, was nach ersten Schätzungen auch die Wahlbeteiligung dieser Bevölkerungsgruppe deutlich erhöhte.
Die vorgezogene Parlamentswahl war die größte Herausforderung für Netanyahu seit seinem Amtsantritt 2009. Der 65-jährige Politiker hatte die Abstimmung Anfang Dezember selbst ausgelöst, sah sich dann aber einer unerwartet starken Opposition gegenüber. Sollten sich die Prognosen bestätigen, scheint Netanyahu allerdings leicht bessere Chancen zu haben, Bündnispartner für eine dritte Amtszeit in Folge zu finden.
Dazu muss er die neugegründete Partei Kulanu des Likud-Abweichlers Moshe Kahlon in sein Lager holen, die laut ersten Hochrechnungen zehn Mandate holte. Dieser sprach nach Angaben seines Sprechers nach Veröffentlichung der Prognosen bereits mit Netanyahu und Herzog. Er habe ihnen gesagt, er werde seine Entscheidung „erst auf Basis des Endergebnisses treffen“.
Im Kurznachrichtendienst Twitter erklärte sich der Ministerpräsident bereits zum Wahlsieger: „Entgegen allen Vorhersagen: Ein großer Sieg für den Likud! Ein großer Sieg für das israelische Volk!“, verkündete er. Allerdings kam das gegenüber den Umfragen überraschend gute Abschneiden des Likud durch eine Wählerwanderung innerhalb des rechten Lagers zustande. So landete die national-religiöse Partei Das Jüdische Heim laut den Prognosen nur bei acht oder neun Sitzen, gegenüber bisher zwölf.
Jüngste Manöver Netanyahus dürften diesen Trend verstärkt haben. Er hatte sich am Montag, ungeachtet einer absehbaren Verschlechterung der Beziehungen zu den USA und der Europäischen Union, offen gegen einen Palästinenser-Staat ausgesprochen und damit seine Haltung zu der international geforderten Zwei-Staaten-Lösung revidiert. Für den Fall seiner Wiederwahl kündigte er zudem den weiteren Ausbau umstrittener Siedlungen an.
Doch auch seine Rivalen sahen offensichtlich kurzfristigen Handlungsbedarf: Sie kippten am Vorabend der Wahl kurzerhand ein Rotationsabkommen, wonach Herzog und Livni im Falle eines Wahlsiegs abwechselnd die Rolle des Ministerpräsidenten übernommen hätten. Nun aber soll der Posten an Herzog allein gehen, wenn er eine vierte Amtszeit Netanyahus verhindern kann.
5,8 Millionen Israelis waren zur Wahl aufgerufen. Den ersten Ergebnissen zufolge gelang es zehn der 25 angetretenen Listen, die auf 3,25 Prozent angehobene Mindesthürde zu überspringen. Außer den genannten Parteien waren dies die zentristische Zukunftspartei mit elf oder zwölf Mandaten, sowie die ultraorthodoxen Parteien Shas mit sieben und Torah-Judentum mit sechs oder sieben Abgeordneten. Der ultranationalen Partei Unser Haus Israel von Außenminister Avigdor Lieberman und der linken Meretz wurden in allen drei Prognosen jeweils fünf Sitze vorhergesagt.
Der palästinensische Chefunterhändler im festgefahrenen Friedensprozess, Saeb Erekat, erklärte unmittelbar nach den Prognosen, es sei „klar, dass Netanyahu die künftige Regierung bildet“. Die Palästinenser würden deshalb ihre Bemühungen auf dem internationalen Parkett verstärken, insbesondere was Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH bzw. ICC) betreffe.
(Grafik 0340-15, Format 88 x 115 mm)