Plewneliew hält „eingefrorenen Konflikt“ in Ostukraine für möglich
Wien (APA) - Dass sich die Krise in der Ukraine zu einem sogenannten eingefrorenen Konflikt entwickelt, hält der bulgarische Präsident Rosse...
Wien (APA) - Dass sich die Krise in der Ukraine zu einem sogenannten eingefrorenen Konflikt entwickelt, hält der bulgarische Präsident Rossen Plewneliew für möglich. „Und es versetzt in große Sorge, dass Russland bereits zahlreiche ‚eingefrorene Konflikte‘ produziert hat“, sagte er am Dienstagabend beim Gespräch mit der APA in Wien und verwies dabei auf Berg-Karabach, Transnistrien, Ossetien und Abchasien.
Man sehe bereits „einen ‚Triumphbogen‘ aus eingefrorenen Konflikten überall am Schwarzen Meer“, so Plewneliew (Plevneliev), der sich am Dienstag und am Mittwoch für einen zweitägigen Arbeitsbesuch in Österreich aufhielt. Und es könnten seiner Ansicht nach noch weitere entstehen.
Die baltischen Staaten und Rumänien seien sehr besorgt. „Das ist eine wirklich negative Wende, die im letzten Jahr in Europa stattgefunden hat - der Ukraine-Konflikt stellt einen Paradigmenwechsel dar. Niemand hat erwartet, dass eine Weltmacht das Territorium eines anderen Staates verletzen, Grenzen durch Waffengewalt und Besatzung verschieben würde“, erklärte Plewneliew in Anspielung auf Russland und dessen Rolle in der Ukraine-Krise.
„Leider ist dieser Prozess passiert, und dieser Paradigmenwechsel wirft für eine Reihe osteuropäischer Länder Fragen auf“, so der bulgarische prowestliche Präsident. „Jetzt wachen alle auf und sagen: Niemand hat die Ukraine-Krise erwartet, aber sie ist passiert. Wer ist als nächstes dran? Wird es ein nächstes Land geben?“
Sofia fürchte sich aber nicht vor Moskau: „Angst steht außer Frage. Keiner glaubt, dass Russland Bulgarien, das ein NATO-Mitglied ist, attackieren wird“, erklärte Plewneliew. Aber natürlich gebe es viele Fragen zu den „neuen Methoden der Destabilisierung“, wie etwa Stellvertreterkriege oder die Instrumentalisierung von Energie als Waffe. „Wir verfolgen diese Entwicklungen sehr genau.“
Das NATO- und EU-Mitglied Bulgarien stünde zur Gänze hinter der Umsetzung des beim NATO-Gipfel in Wales im September gebilligten sogenannten Readiness Action Plan (sinngemäß Plan für erhöhte Bereitschaft), sagte der bulgarische Präsident. Er wiederholte erneut, dass es dabei nicht darum gehe, Moskau zu bekämpfen: „Das ist nicht gegen Russland oder jemanden anderen.“ Bei dem Plan gehe es um ein rasches Handeln der NATO-Mitgliedsstaaten in Fällen von Destabilisierung sowie der Versicherung, dass so etwas wie in der Ukraine in keinem anderen Land passieren könne, sagte er vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise sowie der Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim durch Russland.
So wie in den drei baltischen Staaten, Polen und Rumänien wird auch in Bulgarien ein neuer Stützpunkt mit Führungs- und Logistikexperten aufgebaut - auch das wurde beim NATO-Gipfel in Wales beschlossen. „Ich unterstütze diese Entscheidung voll und ganz“, erklärte Plewneliew und verteidigte diesen Schritt gegen Kritik aus dem eigenen Land. Er hoffe darauf, dass dieser Stützpunkt noch diesen Sommer seine Arbeit aufnehmen könne.
Die Frage, ob sich frühere Sowjetrepubliken oder Länder, die bis 1989 unter der Einflusssphäre Moskaus gestanden haben, zu früh für einen NATO- oder EU-Beitritt entschieden hätten und damit zu konfrontativ für Russland agiert hätten, stellt sich für Plewneliew nicht. Bulgarien, das 2004 dem Militärbündnis und 2007 der EU beitrat, hege den Wunsch zur „großen europäischen Familie“ zu gehören seit mindestens einhundert Jahren. „Ich würde sogar das Gegenteil behaupten: Das kommunistische Regime (in Moskau, Anm.) hat Bulgarien nicht erlaubt, der EU schon früher beizutreten.“
Dass Nachbarstaaten wie Russland sich bei derartigen Entscheidungen einmischten, davon hält der bulgarische Präsident wenig. „Ich denke nicht, dass es einem Staat - egal welcher das ist - verboten sein kann, Mitglied eines Klubs zu werden“, so Plewneliew. „Ich denke, dass das nicht fair ist, kein EU-Mitglied werden zu können, nur weil man ein Nachbarstaat von Russland ist“, erklärte er. „Nur wegen geografischer Hintergründe kann man nicht dem nationalen Traum oder der Priorität folgen. Ich verstehe das nicht, und ich bin damit nicht einverstanden.“ Als Staat solle man seinen Nachbarn bei derartigen Entscheidungen „Grünes Licht“ geben, kehrte Plewneliew hervor.
Vor allem auf wirtschaftlicher Ebene wirke sich die Ukraine-Krise auf das Schwarzmeerland aus: Die Zahlen der russischen Touristen gingen zurück, und der binationale Handel leide. „Wir können nicht glücklich sein, wenn wir diese ökonomischen Turbulenzen auf unser Land übergreifen sehen, aber auf der anderen Seite unterstützen die Bulgaren ihre Regierung und ihre Institutionen darin, (...) sich gegen eine Macht, die Waffen zur Grenzverschiebung anwendet, einzusetzen“, erklärte Plewneliew.
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