Zerleger des Kunstfilms: Experimentalfilmer Hans Scheugl wird 75
Wien (APA) - Der Wiener Theoretiker, Filmemacher und Fotograf Hans Scheugl zählt zu den Fixgrößen der österreichischen Avantgarde. Mit Expan...
Wien (APA) - Der Wiener Theoretiker, Filmemacher und Fotograf Hans Scheugl zählt zu den Fixgrößen der österreichischen Avantgarde. Mit Expanded-Cinema-Aktionen wurde der Mitgründer der „Austria Filmmakers Cooperative“ in den 60er-Jahren auch international bekannt. Am Freitag wird Scheugl 75 - und legt rund um seinen Geburtstag „Dear John“, seinen ersten Film nach 20 Jahren, vor.
Geboren am 20. März 1940 in Wien, publizierte Scheugl nach einem Studium an der Filmakademie in Wien und an der Pariser Cinematheque ab 1964 filmhistorische und theoretische Aufsätze in Zeitschriften, ehe er 1966 seinen ersten Film fertigstellte, den experimentellen Spielfilm „Miliz in der Früh“. Zwei Jahre später gründete er mit Ernst Schmidt jr., VALIE EXPORT, Peter Weibel, Kurt Kren und Gottfried Schlemmer die „Austria Filmmakers Cooperative“. Gemeinsam entwarfen sie das „erweiterte Kino“ (Expanded Cinema), das die ideologischen und technischen Bedingungen filmischer Darstellung dekonstruierte.
Expanded Cinema-Aktionen wie „Sugar Daddies“, im Rahmen dessen Scheugl 1968 Aufnahmen aus einer Toilette der Universität Wien in einer öffentlichen Männertoilette in München projizierte, machten den Wiener auch außerhalb Österreichs bekannt. Gemeinsame Aufführungen und politische Aktionen mit u.a. Künstlern des Wiener Aktionismus wie Otto Mühl oder Weibel, folgten; bei zahlreichen Filmen von Avantgarde-Größen wie Kurt Kren oder Schmidt jr. fungierte er als Kameramann.
Bediente sich Scheugl bei Aktionen wie „Sugar Daddies“, „Der Voyeur“ oder „zzz: hamburg special“ der strukturellen Mitteln des Films, setzte er sich in seinen filmischen Experimenten wie „Hernals“ oder „Wien 17, Schumangasse“ mit Raumgefügen auseinander, arbeitete mit Blick-Experimenten und untersuchte das Verhältnis von Realzeit und Filmzeit. „Es muss eine Beziehung zwischen dem, was ich zeige, und mir herrschen“, zitierte ihn das Avantgarde-Label „Index“, das 2008 einen Großteil seiner Experimentalfilme auf DVD zugänglich machte.
In den 70er-Jahren zog sich Scheugl vom Filmemachen zurück, gründete 1973 die Grazer Autorenversammlung (GAV) mit und veröffentlichte mehrere Bücher, darunter 1974 gemeinsam mit Schmidt jr. die richtungsweisende, zweibändige „Subgeschichte des Films“, ein Lexikon des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms. Nach einer mehrjährigen Auszeit, die er größtenteils in Indien verbrachte, gründete er 1982 die Austria Filmmakers Cooperative unter dem nunmehrigen Titel „(Austria) Film Coop“ als Verleih und Filmwerkstatt neu, trat als Förderer des österreichischen Avantgardefilms in Erscheinung und schuf neue Filmarbeiten. Neben experimentellen Spielfilmen wie „Der Ort der Zeit“ und „Was die Nacht verspricht“ entstanden vor allem Dokumentarfilme, darunter „Keine Donau - Kurt Kren und seine Filme“ für den ORF.
Eine weniger bekannte Seite des Künstlers, die Fotografie, wurde zuletzt 2012 mit einer Ausstellung im Wien Museum beleuchtet, die frühe Fotoarbeiten aus den 50er-Jahren zeigte. Bei der diesjährigen Berlinale feierte schließlich Scheugls erste Filmarbeit nach 20 Jahren, „Dear John“, Uraufführung. In seiner Anrede an einen amerikanischen Freund, mit dem Scheugl vor 50 Jahren fast in die USA emigriert wäre, verknüpft er Versatzstücke eines Briefwechsels, Internetfunde und Erinnerungen mit Aufnahmen einer Wirtshaus- und Straßenbahntour durch Wien. Heute, Mittwoch, stellt er den Film persönlich bei der Grazer Diagonale vor.
(S E R V I C E - http://scheugl.org)