Krim als Versuchslabor für Umgang mit internationalen Sanktionen
Simferopol (APA) - Kreditkarten aus dem Ausland funktionieren nicht, ukrainische Telekommunikationskonzerne haben die Halbinsel verlassen od...
Simferopol (APA) - Kreditkarten aus dem Ausland funktionieren nicht, ukrainische Telekommunikationskonzerne haben die Halbinsel verlassen oder sind nationalisiert worden, ausländische Fluglinien landen nicht mehr in Simferopol. Ein Jahr nach der umstrittenen Einverleibung der Halbinsel lernt Russland hier mit scharfen internationalen Sanktionen zu leben und übt gleichzeitig auch Tricks zur Umgehung.
Es sind zahllose geschlossene Filialen alteingesessener ukrainischen Großbanken, die im Straßenbild von Simferopol deutlich machen, dass sich am Bankensektor auf der Krim im vergangenen Jahr sehr viel verändert hat. Bereits im April 2014 hatten Großbanken wie die Dnipropetrowsker Privatbank, aber auch die ukrainische Raiffeisentochter Raiffeisen Bank Awal hier alle Filialen zugesperrt. Moskauer Großbanken machen seit der russischen Kontrollübernahme einen auffälligen Bogen um die Halbinsel. An die Stelle großer ukrainischer Bankinstitute rückten kleine russische Regionalbanken wie die nahezu ausschließlich auf der Krim tätige RNKB, die Bank Werchnowolschski aus Rybinsk oder die Krajinvestbank aus Krasnodar, an der seit einigen Jahren die Raiffeisenbank Oberösterreich zu 1,96 Prozent beteiligt ist.
Die Pressestelle der oberösterreichischen Bank ließ eine APA-Anfrage unbeantwortet, wie diese Krim-Aktivitäten der russischen Minibeteiligung in Linz bewertet werden. Das Engagement der Regionalbanken hat jedenfalls einen sehr praktischen Grund: Im Unterschied zu global tätigen russischen Großbanken wären sie von internationalen Sanktionen nur bedingt betroffen. Als die USA am 11. März Sanktionen gegen RNKB beschlossen, erklärte die Bank lapidar auf ihrer Homepage: „Die Sanktionen der USA gegen die RNKB Bank stellen keine Bedrohung für ihre laufende Tätigkeit dar. Die Arbeit von RNKB war stets derart organisiert, dass im Fall von Sanktionen weder die Kunden noch das Geschäft des Bankinstituts geschädigt würden.“
Abgesehen von einer hohen Dichte unbekannter Bankinstitute machen sich die von EU und USA verhängten Sanktionen aber auch am Bankomaten bemerkbar: Gäste, die nicht aus Russland stammen, können mit ihren Bank- und Kreditkarten auf der Krim kein Geld beheben. Seit einem amerikanischen Verbot, Finanzdienstleistungen für die Halbinsel anzubieten, gab es zudem für Krim-Bewohner keine Visa oder Mastercard mehr.
Inserate im öffentlichen Raum, die ein „Aufladen“ von Kreditkarten versprechen, lassen sich als Indiz interpretieren, dass die Sanktionen aber auch umgangen werden können: Krim-Bewohner verwenden bei ihren Reisen außerhalb der Halbinsel Kreditkarten, die vermeintlich auf Menschen aus anderen Regionen in Russland ausgestellt sind. Der Falsche-Region-Trick spielt aber auch in der Telekommunikation der Halbinsel eine wichtige Rolle.
Auf der Halbinsel gebräuchliche SIM-Karten verwenden Nummern, die eigentlich dem russischen Mobilanbieter MTS für die Region Krasnodar zugewiesen wurden. Russische Medien spekulierten wiederholt, dass sich hinter dem derzeit einzig funktionierenden Krim-Mobilnetznetzbetreiber K-Telekom ebenso MTS verbirgt. Die ukrainische Tochtergesellschaft von MTS hatte K-Telekom für eine vergleichsweise niedrige Summe ihre gesamte Apparatur auf der Krim überlassen. K-Telekom mit Sitz im russischen Krasnodar gehört einer Aktiengesellschaft in Armenien und hat nur fünf Tage nach der Firmengründung im vergangenen Mai bereits eine Mobilfunklizenz für die Krim erhalten. Mit ihrem Versteckspiel haben die unbekannten Besitzer dieses Mobilfunkers jedenfalls gute Chancen, etwaigen internationalen Sanktionen aus dem Weg zu gehen.
Roaming mit nichtrussischen SIM-Karten funktioniert auf der Krim freilich nicht, alle ukrainischen Mobilfunker auf der Halbinsel sind stillgelegt und im Falle von Kiewstar auch zwangsverstaatlicht worden. Dieses Schicksal ereilte vor wenigen Wochen auch Ukrtelekom, den größten Festnetzanbieter auf der Halbinsel. Letzterer hatte zuvor seine Kunden damit verblüfft, dass monatelang keine Rechnungen mehr ausgestellt wurden und de facto gratis telefoniert werden konnte.
Vergleichsweise offen treten indes russische Fluggesellschaften auf, selbst die Aeroflot fliegt Simferopol an. Der Flughafen der Krim-Hauptstadt wird auf seiner Homepage nach wie vor als „internationaler Flughafen“ bezeichnet, nach offiziellen Angaben werden von hier aus ausschließlich Städte in Russland angeflogen, von nichtrussischen Fluggesellschaften ist keine Spur. Fluggästen auf diesen Routen droht im unwahrscheinlichen schlimmsten Fall eine strafrechtliche Verfolgung durch ukrainische Anklagebehörden, die Flüge aus Russland nach Simferopol als illegale Grenzüberschreitung der ukrainischen Grenze qualifizieren könnten.
Den Fluglinien selbst drohen theoretisch auch Strafzahlungen, deren Eintreibung der ukrainische Staat früher oder später vor internationalen Gerichten anstreben könnte. Im Fall einer politischen Zuspitzung, die sich derzeit jedoch nicht abzeichnet, könnten westliche Sanktionen auch den Flugplan des Simferopoler Flughafens schnell verändern. Bereits wenige Tage nachdem die Europäische Union Sanktionen gegen die auf die Krim fokussierte Fluggesellschaft Dobroljot ausgerufen hatten, stellte dieser russische Lowcoster im August 2014 seinen Flugbetrieb ein.