Anschlag in Tunis - Museumsbesuch wird zum Albtraum
Tunis (APA/AFP) - Die Museumsbesucherin steht noch immer sichtlich unter Schock. „Plötzlich hörten wir Schüsse und eine kleine Statue fiel u...
Tunis (APA/AFP) - Die Museumsbesucherin steht noch immer sichtlich unter Schock. „Plötzlich hörten wir Schüsse und eine kleine Statue fiel um“, berichtet die Französin mittleren Alters. Die Touristin besichtigte am Mittwoch gerade das Bardo-Nationalmuseum in Tunesiens Hauptstadt, als zwei in Militäruniformen gekleidete Angreifer mit ihren Kalaschnikows ein Blutbad unter den Besuchern anrichteten.
„Plötzlich hörten wir Schüsse und eine kleine Statue fiel um. Alle schrien, wir versteckten uns in einem Pavillon, dann brachte uns die Polizei in Sicherheit.“
Mindestens 17 Touristen, ein Polizist und ein weiterer Tunesier wurden getötet, dutzende Menschen verletzt. Die Überlebenden werden den Albtraum nicht mehr vergessen. In dem Saal, den die französische Urlauberin gerade besichtigte, befanden sich nach ihren Angaben rund 50 Besucher. „Unter uns waren auch Kinder“, sagt sie noch, dann steigt sie schnell in den Wagen ihres Reisebüros, der sie vom Museumsgelände bringt. Ihren Namen will sie lieber nicht nennen.
Auch Fabienne verschweigt ihren Nachnamen, als sie dem französischen Sender BFM TV schildert, wie sie sich gemeinsam mit anderen Urlaubern und ihrem Touristenführer in einem Saal einschlossen und warteten. „Wir haben nichts gesehen, aber es müssen mehrere gewesen sein. Es war beeindruckend, das waren ganze Salven. Wir hatten Angst, dass sie alle auf einmal kommen und uns töten.“ Zwar bekannte sich zunächst niemand zu dem Angriff, doch trägt er die Handschrift radikaler Islamisten.
Eine Tunesierin, die ganz in der Nähe des Museums wohnt, kam gerade nach Hause, als die ersten Schüsse fielen. Instinktiv habe sie sich dem Gelände genähert. „Ich sah blutüberströmte Menschen auf dem Rasen, die Armee, die herbeieilte“, berichtet sie und fügt hinzu: „Ich hatte große Angst.“
Nach Angaben der Regierung eröffneten die Angreifer das Feuer auf die Touristen, als diese gerade ihren Reisebussen entstiegen, dann jagten sie den Flüchtenden in das Innere des Museums hinterher. Ein von Kugeln durchsiebter Bus spricht noch Stunden später von der Brutalität des Angriffs.
Das Nationalmuseum ist in einem prächtigen Herrscherpalast aus dem 19. Jahrhundert untergebracht. 2012 wurde es aufwändig umgebaut und erweitert, damit seine archäologischen Sammlungen aus allen Epochen Tunesiens besser zur Geltung bekommen - insbesondere seine Mosaiken aus Tunesiens römischer Epoche sind weltberühmt.
Dhouha Belhaj ist stolz, in dem Museum zu arbeiten. Doch auch für sie wird die Arbeit nach dem Blutbad nicht mehr dieselbe sein. Die Panik hallt noch in ihrer Stimme nach, als sie von den schrecklichen Momenten erzählt: „Gegen Mittag hörten wir intensive Schießereien. Meine Kollegen riefen: ‚Schnell, fliehe!‘ Dann flüchteten wir mit mehreren Touristen durch die Hintertür.“ Sie hätten im benachbarten Parlament Einlass gefunden, berichtete sie weiter.
Auch dort herrschte inzwischen Panik, berichtete die Abgeordnete Sayidab Ounissi auf Twitter. Demnach fand gerade eine Anhörung über Tunesiens Antiterror-Gesetz statt, als die ersten Schüsse fielen. Die Beratung wurde unterbrochen und die Abgeordneten aufgefordert, sich in der Versammlungshalle einzufinden. Sie wussten nicht, was vor sich ging.
Viele Zeugen des Angriffs sind Stunden später noch wie gelähmt. In einem Zimmer des Krankenhauses Charles-Nicolle stehen Ärzte und Psychologen um drei leichtverletzte Frauen herum, darunter zwei Französinnen. Sie sind erleichtert, den Angreifern entkommen zu sein, wollen aber von ihren Erlebnissen nicht erzählen. „Alles was ich sagen kann ist, dass ich lieber hier bin als da, wo ich vorhin war“, wehrt eine von ihnen die Bitte um ein Gespräch ab.
Vor dem Krankenhaus dasselbe Bild: Eine ältere italienische Touristin bittet die Journalisten um Verständnis: „Ich kann jetzt nicht reden“, sagt sie fast verzweifelt. Vier ihrer Landsleute wurden getötet, sechs weitere wurden verletzt.