„Die pazifische Epoche“ - Wie Asien die Weltmacht eroberte...
Wien (APA) - Die Journalisten-Szene in Wien ist überschaubar. Man kennt sich. Wer nun mit Thomas Seifert von der „Wiener Zeitung“ etwa per F...
Wien (APA) - Die Journalisten-Szene in Wien ist überschaubar. Man kennt sich. Wer nun mit Thomas Seifert von der „Wiener Zeitung“ etwa per Facebook in Kontakt ist, weiß von seinen „Status“-Angaben, dass er sehr oft in der Welt unterwegs ist. Unter anderem in Asien. Nicht zuletzt dort hat er auch die Recherchen zu seinem neuen Buch durchgeführt, das er am Donnerstag in Wien vorstellt: „Die pazifische Epoche“.
„Wie Europa gegen die neue Weltmacht Asien bestehen kann“, lautet der Untertitel, der zugleich Programm ist. Der 1968 geborene Oberösterreicher, seines Zeichens Außenpolitik-Chef und Stellvertretender Chefredakteur der ältesten Zeitung Österreichs, erklärt uns nämlich die Welt, so wie sie sich derzeit präsentiert und entwickelt. Auch wenn manchem im Detail vielleicht nicht immer bewusst ist, welch drastische Umwälzungen derzeit gerade passieren.
Seifert will da Abhilfe schaffen. Er hat präzise und umfassende Feld- und Literaturstudien betrieben und interpretiert anhand derer die Evolution der vergangenen Jahrzehnte. Der Autor geht in seinem Erklärungsansatz zurück bis zum Wiener Kongress von 1815, als nach den Napoleonischen Kriegen zumindest Europa neu geordnet wurde und Großbritannien zur Weltmacht aufstieg, mit einem Imperium, das von Australien bis nach Kanada reichte. Nach zwei Weltkriegen und der Implosion des von der Sowjetunion angeführten Ostblocks, etablierten sich die USA als Hauptarchitekten der neuen Weltordnung, die aber auch bald Risse bekam.
So befinden wir uns derzeit eben in einer rasanten Umbruchphase, wie Seifert analysiert. Die Wirtschafts- und Finanzkrise erschütterte vor allem Europa in seinen Grundfesten, während das mitunter junge und innovative, durch seine oft auch autoritäre Prägung aber auch leichter manövrierbare Asien hochtrabende kapitalistischen Träume auslebt. Der Autor ist daher nicht zuletzt wegen Tendenzen besorgt, die etwa auch der slowenische Philosoph Slavoj Zizek laufend thematisiert: Die Rückkehr mächtiger Führungsfiguren mit autokratischen Zügen wie Wladimir Putin (Russland), Recep Tayyip Erdogan (Türkei) oder Xi Jinping (China).
Sie alle nützen aus, dass der Westen in einer Dreifach-Krise steckt, meint Seifert: „Der Krise des westlichen Finanzkapitalismus, der Krise der westlichen Parteiendemokratien und der Krise des globalen Steuerungssystems.“ All dieser Entwicklungen eingedenk machte sich vor allem das quirlige Asien auf, den USA und dem alten Kontinent Europa mehr als nur den Rang abzulaufen.
Gleich zu Beginn heißt es im Prolog: „Als die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds im Oktober 2014 die neuen Daten des World Economic Outlook präsentierten, steckte darin eine Sensation: China hat die USA 2014 als größte Wirtschaftsmacht abgelöst. Das Bruttoinlandsprodukt Chinas betrug im Jahr 2014 17,6 Billionen Dollar verglichen mit 17,4 Billionen Dollar für die USA. Und China zieht auch 2015 und in den darauf folgenden Jahren weiter davon - es handelt sich um die größte Verschiebung globaler Macht seit dem Ersten Weltkrieg.“
Doch Seifert verharrt nicht am Status Quo, vielmehr fragte er: „Wie geht es also weiter?“. Und gibt natürlich selbst die Antwort: „Die Konturen der pazifischen Epoche lassen sich bereits erahnen, das Schwergewicht der Weltwirtschaft wandert Richtung Osten. (...) Diese Infrastruktur-Herausforderung muss Europa annehmen.“ Von der EU fordert der Autor folgerichtig eine eigenständigere Außenpolitik (vor allem auch zu Asien), „denn die Vereinigten Staaten und Europa haben in dieser Region jeweils ihre eigenen Interessen“.
Der Beginn der „pazifischen Epoche“ verlange vom Westen aber auch, „den wild gewordenen Finanzkapitalismus wieder zu zähmen und die Demokratie mit neuem Leben zu erfüllen“, lautet das Credo des „WZ“-Journalisten. „Nationalismus, Kleinstaaterei und Wutbürger-Resignation“ stehen diesem Vorhaben jedoch entgegen, weswegen er als Heilmittel mit Verve dem „europäischen Modell“ das Wort redet: „Zivilgesellschaftliche Werte und eine soziale Marktwirtschaft.“ Ob sich Europas Entscheidungsträger dieser Werte auch besinnen, um diesen Stürmern und Drängern aus dem Fernen Osten Paroli zu bieten, werden uns ja die Historiker in ein paar Jahrzehnten erklären können...
S E R V I C E - Thomas Seifert: Die pazifische Epoche. Wie Europa gegen die neue Weltmacht Asien bestehen kann. Deuticke im Zsolnay-Verlag, Wien 2015. 304 Seiten, 22,60 Euro. ISBN 978-3-552-06283-2. Das Buch wird am heutigen Donnerstag um 19:00 Uhr im Rahmen eines Alpbach-Talks in der Hauptbücherei Wien (Urban Loritz-Platz 2a, 1070 Wien) vorgestellt.