Diagonale: „Lampedusa“ als Erzählung aus Nahaufnahmen

Graz/Wien (APA) - Eindringliche Nahaufnahmen vom Gesicht einer alten Frau in schwarz-weiß, kaum Text, Geräusche einer fast erstarrten Umwelt...

Graz/Wien (APA) - Eindringliche Nahaufnahmen vom Gesicht einer alten Frau in schwarz-weiß, kaum Text, Geräusche einer fast erstarrten Umwelt - Peter Schreiner erzählt in seinem Film „Lampedusa“ keine vordergründige Geschichte, sondern enthüllt in ganz kleinen Portionen das Innenleben seiner Protagonisten. Die Uraufführung des intensiven Werks fand am Mittwoch im Grazer Schubertkino im Rahmen der Diagonale statt.

Der Titel suggeriert eine Geschichte über Flüchtlinge, Gestrandete, Menschen in Notsituationen. Doch Peter Schreiner, der bei „Lampedusa“ für Regie, Drehbuch und Schnitt verantwortlich zeichnete, verzichtet weitgehend darauf. Trotzdem spielen diese Dinge immer wieder eine Rolle, wenn sie in den Geschichten der Menschen vorkommen, von denen er erzählt. Dabei verwendet Schreiner meist Nahaufnahmen, schonungslos, frontal und schwarz-weiß. Das Gesicht einer alten Frau (Giuliana Pachner) scheint zunächst unbewegt, sie liegt im Bett. Später spielt der Wind mit ihren Haaren, der Hut wird ihr vom Kopf geweht, aber die Mimik bleibt unbewegt. Im Laufe des Film kommt ihr die Kamera immer näher, die letzten Großaufnahmen zeigen nur mehr ihre Augen, die Intensität wird in dem 130-minütigem Film dadurch fast unmerklich gesteigert.

Auch die beiden männlichen Figuren, ein alter Italiener (Pasquale De Rubeis) und ein jüngerer afrikanischer Flüchtling (Zakaria Mohamed Ali) werden in erster Linie über ihr Gesicht dargestellt. Der junge Mann erfüllt die Erwartungen, die der Ort der Handlung aufkommen lässt: Er ist an der Küste gestrandet. Viel erfährt man nicht, so wie auch von den anderen. Die realen Lebensgeschichten bleiben im Dunkeln, dafür geht es um eine Bewusstseinsfindung, um eine Bestandsaufnahme des Augenblicks: „Ich weiß nicht, wie ich hergekommen bin“, sagt die alte Frau. Jemand namens Anna habe ihr geholfen. Die Fürsorge dieser Anna (Anna Matina) für die Frau wird aus den Handgriffen deutlich, mit denen sie den Polster für die alte Frau glatt streicht und mehrmals zurechtzupft, bevor sie ihr beim Hinlegen hilft. An anderer Stelle hält Anna die Frau in den Armen und vermittelt so das Bild einer Madonna.

Die Gespräche sind eher Selbstgespräche als Kommunikation, ausdrucksstärker bleiben die Bilder. Der Flüchtling blickt lange aufs Meer: „I want to find myself“, formuliert er seine Verlorenheit, die sich in den Wellenbewegungen widerspiegelt. Peter Schreiner wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet und lässt die Gesichter ihre eigenen Geschichten erzählen.

( S E R V I C E - http://www.diagonale.at)