Internationale Pressestimmen zum Wahlsieg Netanyahus in Israel
Jerusalem (APA/dpa/AFP) - Europäische Zeitungen kommentieren am Donnerstag den Wahlsieg von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in Israel:...
Jerusalem (APA/dpa/AFP) - Europäische Zeitungen kommentieren am Donnerstag den Wahlsieg von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in Israel:
„Guardian“ (London):
„Im Wahlkampf hat Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zwei rote Linien überschritten: Er nannte arabische Wähler eine Bedrohung, und er hat einer Zwei-Staaten-Lösung eine deutliche Absage erteilt. Dies ist ein Schlag für die Palästinenser, die schon so lange auf Anerkennung ihrer legitimen Ziele warten. Es ist auch schädlich für Israel, dessen Sicherheit und Stabilität langfristig nur durch eine Verhandlungslösung garantiert werden kann. Sicherheit aus der Perspektive einer umkämpften Festung zu definieren, hat einen hohen Preis. Langfristig könnte Israel seine Zukunft durch einen neuen Dialog mit den Palästinensern besser sichern, als durch Mauern oder Zäune.“
„Le Monde“ (Paris):
„Die Wähler haben sich durch die Reden (von Ministerpräsident Benjamin) Netanyahu über die Sicherheit beeinflussen lassen. Das strategische Umfeld Israels ist heute unsicherer denn je. Es wird durch die Kriege in Syrien und im Irak destabilisiert, durch den Islamischen Staat und gleichzeitig durch den Machtzuwachs des Iran. Zum großen Leidwesen von US-Präsident Barack Obama und der europäischen Regierungschefs rückt der Sieg Netanyahus eine würdige Regelung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern in weite Ferne. Er bestätigt die Wahrheit, die für den Nahen Osten gilt: Die Pessimisten behalten Recht.“
„de Volkskrant“ (Amsterdam):
„Friede war schon immer ein rares Gut im Nahen Osten. Nach den Wahlen in Israel scheint eine politische Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts weiter weg denn je.(...) Noch ist unklar, wie die neue Regierungskoalition aussehen wird. Aber wahrscheinlich wird das neue Kabinett Netanyahu den Ausbau der Siedlungen im Palästinensergebiet fortsetzen. Damit nimmt, auch praktisch gesehen, die Chance auf eine Friedensregelung immer weiter ab. Den Preis, den Netanyahu dafür bezahlen werden muss, ist die fortschreitende Isolierung seines Landes. Selbst in den USA, die von jeher Israels wichtigster Bündnispartner sind, beginnt in letzter Zeit die Unterstützung stets mehr zu zerbröckeln. Das sollte für die Israelis ein besorgniserregendes Zeichen sein.“
„Tagesspiegel“ (Berlin):
„Nun wird der alte Ministerpräsident wohl wieder der neue sein, und am Ende des Tunnels ist nur ein Tunnel zu sehen. Das bedeutet, dass langsam die Totenglocken für die Zwei-Staaten-Lösung zum Läuten gebracht werden können. Netanjahu hat sich von diesem Konzept ohnehin verabschiedet. Und da der 50. Jahrestag des Sieges im Sechstagekrieg auch der 50. Jahrestag der Besatzung ist, der Herrschaft über ein anderes Volk, muss konstatiert werden, dass die Formel ‚Land gegen Frieden‘ in Israel weithin an Überzeugungskraft verloren hat.“
„Pravo“ (Prag):
„Die Israelis hatten die Wahl zwischen einer harten Falkenpolitik gegenüber dem Iran oder der Lösung sozialer Probleme wie den überteuerten Mietpreisen. Es hat sich gezeigt, dass sie sich für Sicherheit entschieden haben. Denn Netanyahu gelang es, im Wahlkampf-Endspurt den richtigen Cocktail aus Warnungen, Beschuldigungen, Ängsten und Befürchtungen zu mischen. Die israelische Linke war indes viel zu lange in der Defensive. Netanyahu kann sich darauf freuen, einmal der am längsten dienende Ministerpräsident in der Geschichte Israels zu werden - trotz des Gaza-Kriegs im vorigen Sommer, trotz der Aussetzung der Friedensgespräche und trotz der ernsthaft beschädigten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten.“
„La Croix“ (Paris):
„Es ist zu früh zu wissen, ob Benjamin Netanyahu die Suche nach einem Frieden basierend auf dem Prinzip von zwei Staaten für zwei Völker, Israelis und Palästinenser, endgültig beerdigt hat. Viel wird von der Koalition abhängen, die er um seine Likud-Partei herum aufbaut. Der starke Mann Israels hat auch kein alternatives Szenario aufgezeigt. Seitdem er an der Macht ist, gibt er sich mit einem Status quo zufrieden, in dem Israel mit Gewalt das Westjordanland, das Jordantal, Ostjerusalem und den Gazastreifen kontrolliert. Gebiete, die 1967 erobert wurden und die die internationale Staatengemeinschaft als besetzt ansieht.“