Literatur

Die Sehnsucht nach der Sehnsucht

© Max Lautenschläger

Ein feinfühliger Textarbeiter: Mit „Dauerhaftes Morgenrot“ liegt Band eins der umfangreichen Joseph-Zoderer-Werkausgabe vor.

Innsbruck –Auf 15 Bände ist die Werkausgabe des Südtiroler Autors Joseph Zoderer angelegt. Und der Auftakt kann durchaus programmatisch verstanden werden: Nicht einer von Zoderers großen „Südtirol-Romanen“, „Die Walsche“ zum Beispiel, die 1982 Zoderers literarischen Durchbruch bedeutete, oder „Der Schmerz der Gewöhnung“ (2002), steht am Beginn der Reihe, sondern „Dauerhaftes Morgenrot“ (1987). Ein schmaler Roman, der im namentlich nie genannten Triest spielt – Südtirol ist also außer Sichtweite und um Ethnizität und tagespolitische Mühsal geht’s auch nicht. Sondern um Sehnsucht. Oder, präziser: um die Sehnsucht nach Sehnsucht. Denn der Protagonist Lukas will mit seiner Vergangenheit abschließen, neu anfangen. Ein planloses, weil rein wunschgetriebenes Unterfangen, das einigermaßen katastrophal endet. Und eine zarte Erzählung über Realitätsflucht, die Zoderer als feinfühligen Schilderer und – der umfangreichen Entstehungsdokumentation im Anhang sei Dank – als akribischen Textarbeiter ausweist.

Band zwei der Werkausgabe, er soll pünktlich zum 80. Geburtstag des Autors im November erscheinen, wird übrigens „Das Schildkrötenfest“ (1995) sein. Eine bittere Liebesgeschichte übers Sich-Verlieren und die Enttäuschungen des Gefundenwerdens. Ausgangspunkt des Romans ist eine folgenschwere Begegnung in einem Nachtbus nach Mexiko. So viel zum Horizont des vermeintlichen „Heimatdichters“, der seine exponierte Rolle als „Südtirol-Experte“ mehrfach öffentlich beklagte. Nicht zuletzt deshalb verspricht die umfangreiche Werkausgabe eine lohnende Unternehmung zu werden: Sie macht Werke eines wichtigen Autors zugänglich, die von dessen zum Klischee erstarrter öffentlicher Persona lange Jahre überstrahlt wurden. (jole)

Roman Joseph Zoderer: Dauerhaftes Morgenrot. Haymon, 200 Seiten, 19,90 Euro. Präsentation: Dienstag, 24. März, im Literaturhaus am Inn, 20 Uhr.

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