Sprachraum: Jelinek auf Urdu und Pashtu im Burgtheater-Vestibül

Wien (APA) - Ein babylonisches Sprachwirrwarr in einem kleinen Raum jenes Theaters, das manche noch immer für das „erste Sprechtheater deuts...

Wien (APA) - Ein babylonisches Sprachwirrwarr in einem kleinen Raum jenes Theaters, das manche noch immer für das „erste Sprechtheater deutscher Zunge“ halten. Der gestrige Abend „Die, should sea be fallen in“ im Burgtheater-Vestibül, der den Auftakt zu der Österreichischen Erstaufführung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ am 28. März bildete, war etwas Besonderes.

Auf diese Besonderheit musste man sich einlassen, um ihre Bedeutung zu erfassen. Politisch und gesellschaftlich kann es nicht hoch genug eingeschätzt werden, wenn das Burgtheater Asylwerbern des „Refugee Protest Camp Vienna“ im Rahmen eines Übersetzungsprojekt des „Versatoriums - Verein für Gedichte und Übersetzen“ die Möglichkeit gibt, ihre Stimme zu erheben. Künstlerisch war es hoch interessant, sich als Zuschauer auf eine andere Wirkungsebene einlassen zu müssen als auf das sprachliche Verstehen und Erfassen von Inhalten.

„Wir sind Menschen, die zusammen sprechen. Daraus können Übersetzungen entstehen. Daraus können Chöre entstehen. Dafür brauchen wir kein vorgegebenes Personenverzeichnis. Unser Zusammensprechen ist vor allem ein Zuhören. Ein Nachhören. Ein Nachsprechen“, beschreibt die Regisseurin Ivna Zic, die in Zusammenarbeit mit dem „Drama Forum“ von uniT dem einstündigen Abend seine Form gab, im 84-seitigen Programmbuch den künstlerischen Ansatz.

Ausgehend von der Übersetzungsarbeit an Passagen aus Elfriede Jelineks Text hat man über den mühsame Verständnis- und Erkenntnisprozess hinaus sprachliche Resonanzräume geöffnet, in dem Rhythmus und Klang eigene Wertigkeiten erhalten. Da in der Aufführung ganz auf Erklärungen verzichtet wird, vollzieht der Zuschauer diesen Prozess nach und kann dabei erstaunliche Entdeckungen machen.

„oder wir sprechen alle Englisch / oder wir sprechen alle Pastho / oder wir sprechen alle Urdu / oder wir sprechen alle Deutsch / oder wir sprechen alle Georgisch / oder wir Deutschsprechenden sprechen Pashto nach / und wir Pasthosprecher sprechen Georgisch nach / und wir Georgischsprecher fangen zu singen an“, fasst Zic den Vorgang selbst in Verse. Die Gemeinsamkeit und Begeisterung der Beteiligten ist greifbar. Mitten unter ihren Schützlingen auf der Bühne: Autor Peter Waterhouse und die georgischen Übersetzerin Nino Idoidze.

„Die, should sea be fallen in“, als „Versuch, den Asylwerbern, die 2012 an der Besetzung der Votivkirche teilgenommen haben und von denen kaum einer deutsch sprach, Elfriede Jelineks Text näher zu bringen“, begonnen, ist ein bemerkenswerter Abend geworden.

Dass die Probleme des Flüchtlingsalltags in dieser Stunde ausgeblendet bleiben, dass hier keine politischen Forderungen erhoben, sondern an einem künstlerischen Akt gearbeitet wird, sollte man nicht als Eskapismus missverstehen. Wichtig ist, dass die beteiligten Asylbewerber nicht Statisten, sondern Akteure sind. Dass sie, anders als es das Fremdengesetz es vorsieht, nicht zum Nichtstun und Abwarten verdammt sind. Der heftig akklamierte Abend sollte seine Fortsetzung finden. Nicht nur auf der Mini-Bühne im Vestibül.