Rauriser Literaturtage: Vier Autoren und noch viel „Mehr.Sprachen“
Rauris (APA) - „Mehr.Sprachen“ ist das Thema der 45. Rauriser Literaturtage 2015. Das Festival im Salzburger Pinzgau wurde vorgestern, Mittw...
Rauris (APA) - „Mehr.Sprachen“ ist das Thema der 45. Rauriser Literaturtage 2015. Das Festival im Salzburger Pinzgau wurde vorgestern, Mittwoch, mit den diesjährigen Preisverleihungen an Karen Köhler und Birgit Birnbacher offiziell eröffnet. Und von der ersten Lesung an ging es um Autoren und Menschen und ihr Pendeln zwischen zwei oder mehreren Sprachen.
Ilma Rakusa, in der Slowakei geboren, die Mutter aus Ungarn, der Vater Slowene, lebt in der Schweiz und schreibt auf Deutsch. Zudem ist sie Übersetzerin aus dem Russischen, Französischen, Ungarischen und Serbokroatischen. „In jeder Sprache, die einem Autor zur Verfügung steht, gibt es Dinge, die sich ideal ausdrücken lassen, und andere, die sich gegen Formulierungen zu sträuben scheinen“, sagte Rakusa nach einer kurzen Lesung aus ihrem „Mehr Meer“. „Da ist man versucht, die Sprachen zu mischen, aber das ist nur in seltenen Ausnahmen sinnvoll. Also muss ich mich notgedrungen entscheiden“, sagte die Autorin, die überwiegend in deutscher Sprache publizierte.
„Ich bin das Festland“ ist der Titel einer entzückenden Familiengesichte von Seher Cakir. Die Autorin berichtet in dieser amüsant-leichten Erzählung über eine zwölfjährige Immigrantin aus der Türkei, ihre Probleme mit der sturen Mutter und über die delikaten Entdeckungen zum Thema Intim-Rasur. Auch die teilweise in Wien lebende türkische Autorin hat sich für Deutsch als „Arbeitssprache“ entschieden und eröffnete den zweiten Lese-Abend am Donnerstag auf der Heimalm auf knapp 1.500 Metern Seehöhe.
Ein guter Ort auch für das Thema Integration: „Was genau verlangt man, wenn man uns zur Integration auffordert. Sollen wir Schnitzel essen oder in die Kirche gehen? Natürlich sollte jeder die Sprache des Landes lernen, in dem er lebt. Dann hat er es leichter im Leben. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Wer die Sprache nicht lernen kann oder will, sollte es eben schwer haben dürfen“, erklärte Seher Cakir nach der Lesung.
Alles andere als „Leicht-machen“ scheint das Lebensprinzip auch der deutsch-amerikanischen Autorin Ann Cotten zu sein. Die 32-jährige in Wien aufgewachsene Schriftstellerin wirkte auf der Heimalm-Bühne anfangs chaotisch, wirr und unorganisiert. Aber mit jedem Satz ihrer unsentimentalen Gedichte und Reflexion über Privates, erschloss sich die literarisch-intellektuelle Klugheit dieser Autorin klarer und sympathischer. Cotten zog die Zuhörer mit einer performativen Lesung auf ihre Seite und schaffte einen riskanten Seiltanz über persönliche Befindlichkeit ohne Sicherheitsnetz - eine junge, extrem verletzliche Autorin.
Das krasse Gegenteil davon ist die Literatur von Jaroslav Rudis. In seinem Erfolgsroman „Vom Ende des Punks in Helsinki“ erzählt der 42-jährige Romancier, Drehbuchautor, Musiker und Comic-Erfinder aus Tschechien über den Ostblock-Punk vor und nach der Wende. In ebenso derber wie treffsicherer Sprache rotzt der Literatur-Punk über die idiotischen Bullen, ein legendäres Konzert der „Toten Hosen“ in Pilsen, über „Nonstop-Arschlöscher“, über Drogen, Titten und viel, sehr viel Bier. Ein poppigerer, leichterer und vergnüglicherer Abschluss dieses langen Abends mit Literatur im Hochgebirge hätte den Rauris-Intendanten Ines Schütz und Manfred Mittermayer nicht gelingen können. Die Zuschauer tobten.
(S E R V I C E - http://www.rauriser-literaturtage.at, Tel.: 0680 / 2042 600)