Jubel für Ransmayrs „Odysseus, Verbrecher“ im Schauspielhaus Salzburg

Salzburg (APA) - Den Griechen entkommt man zurzeit nirgendwo - auch nicht im geschützten Theaterraum. Christoph Ransmayrs Schauspiel „Odysse...

Salzburg (APA) - Den Griechen entkommt man zurzeit nirgendwo - auch nicht im geschützten Theaterraum. Christoph Ransmayrs Schauspiel „Odysseus, Verbrecher“ schlägt eine Brücke von Homers antikem Epos zum aktuellen Polit-Trauerspiel um Spardiktate und Stinkefinger. Am Schauspielhaus Salzburg feierte Ransmayrs starke Neufassung gestern, Donnerstag, ihre umjubelte Österreich-Premiere.

Die „Odyssee“ ist allseits bekannt. Homer beschreibt in seinem Epos die abenteuerlichen Irrfahrten des Odysseus nach seinem Sieg im Trojanischen Krieg. Der österreichische Autor Christoph Ransmayr hat für das Kulturhauptstadtjahr im westdeutschen Ruhrgebiet 2010 eine zeitgenössische Fassung erarbeitet, die sich um Odysseus‘ Heimkehr in Ithaka dreht. Zwanzig Jahre sind seit seiner Abreise vergangen, und die Heimat hat sich in eine Endzeit-Landschaft verwandelt. Odysseus trifft zunächst auf Athene (Martina Dähne), die auf kostbares Strandgut aus den Schiffswracks spitzt - ein kühles Flintenweib. Odysseus geliebte Penelope (Daniela Enzi) wiederum wird von „Reformern“ umworben, Stammhalter Telemach (Simon Ahlborn) offenbart sich als braves Muttersöhnchen. Kein Land für alte Kriegshelden, die ohnehin keiner mehr erkennt.

Ransmayrs Text funktioniert auf vielen Ebenen und schlägt immer wieder Brücken zur Gegenwart. Odysseus ist zwar wortgewaltig, seine pathetischen Monologe offenbaren aber auch fehlendes Gewissen und menschliche Schwächen. Regisseur Robert Pienz zeigt einen müden Kriegsheimkehrer, wie man ihn seit John Rambo aus einschlägigen Action-Streifen kennt. Als er erkennt, dass die Reformer die Zukunft Ithakas aufs Spiel setzen, greift Odysseus zur Selbstjustiz. Harald Fröhlich in der Titelrolle zeichnet diese Verwandlung eines Getriebenen gekonnt nach, dessen Verbrechen ihn in Gestalt eines Geisterchors wie ein Wachtraum verfolgen.

Pienz‘ Inszenierung weiß aber auch den beißenden Witz herauszuschälen, der sich im herrlichen Idioten-Trio der drei Hirten (Antony Connor, Moritz Grabbe und Theo Helm) manifestiert. Die treuen Vasallen Odysseus‘ sind zu Zynikern verkommen, die sich die Zeit mit lakonischem Aufrechnen von Kriegstoten vertreiben. Dass sich Connor und Helm später in zwei der multitoxisch aufgeputschten Polit-Clowns in der Machtzentrale von „Nea Ithaka“ verwandeln, wirkt entlarvend. Ob mit den Reformern nun die privatisierungswütigen Troika-Technokraten oder die linken „Syriza“-Hoffnungsträger gemeint sind, lässt die Regie offen. Respektlos sind sie allemal, ob dem einstigen Oberbefehlshaber oder der Amme Eurykleia (Julia Gschnitzer) gegenüber.

Das Ensemble trägt einen starken Theaterabend, dessen Grundstimmung vorwiegend düster bleibt. In die fügt sich auch der im besten Sinne räudige Soundtrack (Musik: Christoph Lindenbauer, Christian Kapun, Ilona Lindenbauer) ein, dessen herbe Klanglandschaften als Verbindungsglieder zwischen den apokalyptischen Szenen auf der Bühnen-Schrägfläche (Ausstattung: Ragny Heiny) dienen. Dem Veteranen bleibt zuletzt nur der Gang ins Meer hinaus. Denn Odysseus ist nur gestrandet, nicht heimgekehrt.

(S E R V I C E - „Odysseus, Verbrecher. Schauspiel einer Heimkehr“ von Christoph Ransmayr. Österreichische Erstaufführung im Schauspielhaus Salzburg. Regie: Robert Pienz. Ausstattung: Ragna Heiny. Mit Harald Fröhlich, Simon Ahlborn, Daniela Enzi, Julia Gschnitzer, Martina Dähne, Antony Connor, Moritz Grabbe, Theo Helm, Martin Brunnemann. Weitere Termine: 24., 25., 27., 28., 29., 31. März; 2., 7., 9., 10., 13., 16., 17., 18., 21., 25., 26. April. Infos: http://www.schauspielhaus-salzburg.at )