16-jähriger IS-Heimkehrer geständig und in U-Haft
Wien (APA) - Das Wiener Straflandesgericht hat am Freitagabend über den 16-jährigen IS-Heimkehrer, der am vergangenen Dienstag bei seiner Ei...
Wien (APA) - Das Wiener Straflandesgericht hat am Freitagabend über den 16-jährigen IS-Heimkehrer, der am vergangenen Dienstag bei seiner Einreise am Flughafen Wien-Schwechat festgenommen wurde, die U-Haft verhängt. Als Haftgründe wurden Tatbegehungs- und Fluchtgefahr angenommen, gab Gerichtssprecherin Christina Salzborn bekannt.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Sollte Verteidiger Werner Tomanek dagegen keine Beschwerde einlegen, wäre in 14 Tagen der nächste reguläre Haftprüfungstermin.
Der Jugendliche, der sich in zwei ausführlichen Einvernahmen beim Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) geständig zeigte, hat vor dem Journalrichter, der dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der U-Haft Folge leistete, seine bisherige Verantwortung aufrechterhalten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Minderjährigen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Ausbildung für terroristische Zwecke und Aufforderung zu terroristischen Straftaten.
Der 16-Jährige wurde nach seiner Überstellung in die Justizanstalt Wien-Josefstadt auf der dortigen Krankenabteilung untergebracht. Bei einer Bombenexplosion im syrischen Raqqa hatte der Bursch schwere Verletzungen erlitten, die ihn die Milz, eine Niere und einen Lungenflügel kosteten. Zum aktuellen Befinden des jungen Islamisten befragt, erklärte Verteidiger Tomanek im Gespräch mit der APA: „Es geht ihm erstaunlicherweise nicht so schlecht, wie ich anfangs befürchtet habe. Er hat auch ständig Hunger.“
Der 16-Jährige, der laut seinem Anwalt unter dem Eindruck seiner Erfahrungen bei der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) inzwischen dem Islamismus abgeschworen haben soll, hat seinen Angaben nach die Hälfte seiner Bekannten sterben gesehen, die mit ihm in den Jihad gezogen waren. Auch der aus Wien-Floridsdorf stammende Firas H. (19), der als IS-Propagandist agiert hatte, ist demnach nicht mehr am Leben. Tomanek bekräftigte unter Berufung auf seinen Mandanten das kolportierte, bisher offiziell nicht bestätigte Ableben des 19-Jährigen: „Mein Mandant hat seine zerfetzte Leiche gesehen.“
Firas H. soll zuletzt dem sogenannten Medienministerium der IS angehört haben. Von der syrischen Stadt Raqqa aus versorgte er via Facebook Sympathisanten aus Deutschland und Österreich mit Werbe-Botschaften und postete Fotos, die ihn mit einem abgeschnittenen Kopf bzw. beim Zählen von Banknoten zeigten, die angeblich ermordeten syrischen Soldaten abgenommen worden waren.
Der in U-Haft genommene 16-Jährige war mit einem gefälschten Pass, der ihn als 18 und damit volljährig auswies, im vergangenen August gemeinsam mit einem gebürtigen Türken per Flugzeug in die Türkei gelangt. Der Bursch - er weist keinen Migrationshintergrund auf und hatte während seiner gesamten Schulzeit keinerlei Bezug zum Islam - war erst drei Monate vorher konvertiert. Binnen kürzester Zeit radikalisierte sich der Jugendliche, brach seine Lehre als Versicherungskaufmann ab und ging auch nicht mehr in die Berufsschule.
Glaubensbrüder sollen ihn überzeugt haben, dass er sich aus religiösen Gründen dem bewaffneten Jihad anschließen müsse. Sein Anwalt möchte den Burschen nun von einem psychiatrischen Sachverständigen untersuchen lassen, um nähere Aufschlüsse über diesen jähen Sinneswandel zu bekommen.
In der Türkei angekommen, wurde der Jugendliche gemeinsam mit anderen IS-Sympathisanten umgehend an die syrisch-türkische Grenze gebracht. Wie er nun den Ermittlern darlegte, hatte er sich zu einer bestimmten Stunde gemeinsam mit den anderen jungen Männern aus dem Westen, die zum IS wollten, an der Grenzstelle zu postieren. Nachts soll dann plötzlich wie aus dem Nichts ein Fahrzeug mit sechs bewaffneten IS-Kämpfern aufgetaucht sein, welche die Grenzbeamten bedrohten, entwaffneten und die Jihadisten mitnahmen.
Als er das IS-Gebiet erreicht hatte, bekam der 16-Jährige seiner Darstellung zufolge eine Kalaschnikow und 30 Schuss Munition in die Hand gedrückt. Ausbildung an der Waffe erhielt er keine. Im weiteren Verlauf wurde er bei der Schlacht um Kobane von der IS als Sanitäter eingesetzt. „Er ist ganz allein in einem Hummer-Geländewagen gesessen und damit tagelang mit Morphiumspritzen am Beifahrersitz herumgefahren. Dabei hat er mit 16 ja nicht mal einen Führerschein. Er hat gerade einmal einen Fahrsicherheitskurs beim ÖTC gemacht“, hielt sein Rechtsvertreter fest.
Aufgabe des Burschen war es, teilweise im Kugelhagel durchs Kampfgebiet zu fahren und Verletzte aufzulesen. „Ihm ist ausdrücklich gesagt worden, dass er auch abgerissene Gliedmaßen mitnehmen soll, weil man die wieder annähen kann“, so Anwalt Tomanek.
Auf Geheiß seines Kommandanten trat der Bursch Anfang Oktober 2014 in einem Propaganda-Video in Erscheinung, das in einem syrischen Schlachthaus gedreht und via Facebook verbreitet wurde. Darin verkündete der Minderjährige unter anderem: „Wir haben uns heute hier versammelt, um die Schafe zu schlachten, und ich will euch dazu einladen, auch die Kuffar (Ungläubigen, Anm.) zu schlachten.“ Und weiter: „Kommt her zum Islamischen Staat. Nur hier findet ihr Ehre und Allah.“
Seinem Mandanten sei aufgetragen worden, dieses Video zu drehen, erläuterte Tomanek. Dem 16-Jährigen sei gar nichts anderes übrig geblieben, als dem nachzukommen: „Er hat gesehen, wie Leute ausgepeitscht wurden, die nicht gehorcht haben.“