Diagonale - Die letzte Reise von „Le gran Michael Glawogger“

Graz/Wien (APA) - Muskulöse Körper ringen im senegalesischen Sand, ein Bub stapft durch eine kroatische Brachlandschaft, ein Wagen mit einer...

Graz/Wien (APA) - Muskulöse Körper ringen im senegalesischen Sand, ein Bub stapft durch eine kroatische Brachlandschaft, ein Wagen mit einer Ziege im Anhänger rast durch die Wüste: Es sind Bildfragmente geprägt von Körperlichkeit, Energie und einer großen Suche, die der Filmemacher Michael Glawogger von seiner letzten Reise hinterlassen hat, und die am Samstag bei der Diagonale erstmals öffentlich gezeigt wurden.

Im Dezember 2013 hatte sich Glawogger mit Kameramann Attila Boa und Tonmann Manuel Siebert für einen thematisch ungebundenen, ein Jahr umspannenden Film auf Weltreise begeben, und sollte nie zurückkehren. Eine zu spät erkannte Malaria-Infektion riss ihn am 22. April in Liberia nur 54-jährig aus dem Leben und hinterließ ein großes Loch in der heimischen Filmlandschaft. Rund 70 Stunden Filmmaterial waren in den ersten, „von einer starken Suche begleiteten“ viereinhalb Monaten entstanden, erzählte Glawoggers langjährige Cutterin Mona Willi bei dem „in memoriam“-Programm, das auch langjährige Wegbegleiter wie Michael Ostrowski und Ulrich Seidl am Samstagvormittag im bis auf den letzten Platz besetzten Grazer Schubert Kino versammelte.

Es hätte „der nächste große Schritt in seiner filmischen Entwicklung“ werden sollen, erinnerte Diagonale-Intendantin Barbara Pichler an den „großen Filmschaffenden“, der sich nie auf ein Genre beschränkte und Dokumentarepen wie „Megacities“ ebenso schuf wie Literaturverfilmungen („Das Vaterspiel“) und Kultkomödien („Nacktschnecken“). Das Screening früher Kurzfilme sowie Fragmente seines unvollendeten letzten Projekts sollten nun „Möglichkeit sein, eine Reise durch sein filmisches Werk“ zu unternehmen. Nicht zuletzt dank persönlicher Anekdoten von Willi sowie vom ältesten Freund Glawoggers, dem Philosophen David Marian, sollte es eine sehr persönliche und emotionale Reise werden.

„Bestandsaufnahme“ war jene E-Mail betitelt, die Willi noch am 30. März von Glawogger erhielt. Der Inhalt: Die Einteilung seines bisher gesendeten Materials in zwölf Fragmente. „Michael arbeitete nach dem Prinzip ‚Ich schick, du schau mal‘“, so Willi. „Er hat selbst wenig gesagt, was er eigentlich wollte, denn er wollte anderen stets den Raum lassen, um selbst etwas darin zu sehen.“ „Untitled - Der Film ohne Namen“, so Glawoggers Arbeitstitel, sei jedenfalls als Werk ohne Untertitel oder Talking Heads, dafür mit viel Raum für Text geplant gewesen. „‘Serendipity‘, schrie er ins Telefon, ‚Serendipity, es ist Serendipity‘“, erinnerte sich die sichtlich gerührte Willi an Glawoggers Prinzip vom glücklichen Zufall. „So hat er gedreht, so sind sie durch die Lande gezogen, und so geht es auch mir im Schnitt.“

Für die Diagonale hat Willi nun „einen ersten Versuch unternommen, mit dem Material zu arbeiten“. Zu Musik von Wolfgang Mitterer, der auch Glawoggers Episode im Gemeinschaftsfilm „Kathedralen der Kultur“ vertonte, sowie mit dem im Off von Will Carruthers gelesenen Textfragment „Escape“ von Michael T. Vollmann, „den Glawogger sehr geliebt hat“, kombinierte sie Bilder aus drei Fragmenten zu einem 15-minütigen Zusammenschnitt.

Da folgt auf senegalesische Amateur-Ringer in Nahaufnahme in „VI: martial bodies“ mit „I: bare brickwork“ eine ruhige Fahrt entlang einer Straße eines kroatischen Dorfes; links und rechts teils Schusslöcher aufweisende, teils neu aufgebaute oder komplett verfallene Ziegelsteinhäuser. Am Rande des Dorfs spielt ein Bub, Valentin, mit seinem Hund, und markiert ein Schaf in einem Autoanhänger den Übergang zum nur angerissenen Fragment „IX: desert train“. „Für LE GRAN MICHAEL GLAWOGGER“, stellt Willi an den Schluss, und kündigt an, weiter an dem Material arbeiten zu wollen: „Vielleicht wird es eine Art Album, wie ein ‚random play‘ von Songs.“

Ein eigens für Glawogger geschriebener Song der steirischen Band The Base unterlegt dann auch jene „kleine Überraschung“, die am Ende des Programms stand. „Was wir jetzt sehen, hätte Michael eine große Freude gemacht“, sagte Andrea Glawogger, die gemeinsam mit Mona Willi Super-8-Aufnahmen ihres verstorbenen Mannes mit im Filmmuseum aufgetauchten Bildern des jungen, Orange essenden Regisseurs verband. „Our boats are on the way“, singt Norbert Wally dazu - und die Reise geht weiter.

(S E R V I C E - www.diagonale.at)