Griechenland - Tsipras bei Merkel: Keine Krawatte, aber viel Spannung

Athen/Berlin (APA/AFP) - „Ich freue mich auf seinen Besuch“, sagt Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Mit militärischen Ehren ...

Athen/Berlin (APA/AFP) - „Ich freue mich auf seinen Besuch“, sagt Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Mit militärischen Ehren wird sie am Montagnachmittag den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras im Bundeskanzleramt empfangen. Doch trotz Nationalhymnen, Fahnen und Ehrenformation wird es kein normaler Antrittsbesuch, nicht nur, weil der Gast vermutlich wie üblich ohne Krawatte erscheinen wird.

Das griechische Sorgenkind bei der mächtigen deutschen Kanzlerin: Die Begegnung dürfte auch im übrigen Europa mit Spannung verfolgt werden. Tsipras war in Griechenland mit dem Versprechen angetreten, das „Spardiktat“ der Europartner zu beenden, Merkel dagegen gehört zu den strengsten Hütern der beschlossenen Reform-Vereinbarungen.

Schon das Zustandekommen des Besuchs gestaltete sich nicht ganz unkompliziert. Während Tsipras vor Wochen in einem „Spiegel“-Interview klagte, dass er noch immer auf eine Einladung der Deutschen warte, wurde in Berlin darauf hingewiesen, dass es eigentlich doch immer der Neue sei, der ein Besuchsangebot machen müsse. Schließlich griff Merkel vor einer Woche zum Telefonhörer und lud Tsipras ein.

„Genau der richtige Zeitpunkt“ sei es für das direkte Gespräch zwischen Bundeskanzlerin und Ministerpräsident, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Tatsächlich ist der Austausch bitter nötig. Zuletzt flogen zwischen Berlin und Athen buchstäblich die Fetzen: Es gab Wirbel um das „Stinkefinger“-Video des griechischen Finanzministers Giannis Varoufakis, Streit um Reparationen und Pfändungs-Drohungen, die Warnung aus Athen, Flüchtlinge und sogar mögliche Terroristen nach Berlin weiterzuschicken und eine diplomatische Protestnote wegen angeblich „herablassender“ Äußerungen von Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) über seinen Kollegen Varoufakis.

„Ausreichend Zeit zu reden und vielleicht auch zu diskutieren“, werde es am Montag gaben, sagt Merkel. Jedenfalls ist es ein Besuch ohne Zeitlimit. Um 17.00 Uhr wird Tsipras im Hof des Kanzleramts erwartet. Nach einem ersten Gespräch und einer Pressekonferenz ist ein Abendessen angesetzt - mit „offenem Ende“, wie eine Regierungssprecherin am Freitag sagte.

An einer Verbesserung des Klimas wollten am Vorabend auch schon die Außenminister arbeiten. Einen Tag vor Tsipras sollte Außenminister Nikos Kotzias zu einem persönlichen Gespräch mit Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach Berlin kommen, um „einen Beitrag zur Entspannung der Beziehungen“ zu leisten, wie es Steinmeiers Sprecher formulierte.

Ein heikles Thema ist die Reparationsfrage. Zuletzt zeigte sich das Auswärtige Amt offen für die Idee, den deutsch-griechischen Zukunftsfonds aufzustocken, der die Versöhnung zwischen beiden Ländern fördern soll. Eine solche Geste könnte das spannungsgeladene Thema entschärfen.

Viel Beziehungsarbeit dürfte auch beim Dinner im Kanzleramt anstehen. Eine konkrete Lösung im Schuldenstreit dagegen sei nicht zu erwarten, betont die Kanzlerin: „Kein Treffen im kleinen Kreis kann oder wird die Einigung auf Vorschlag der Institutionen - Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und EU-Kommission - in der Eurogruppe ersetzen“, sagte sie am Donnerstag im Bundestag. Merkel will verhindern, dass Griechenland aus den finanziellen Sachzwängen eine politische Verhandlungsfrage macht.

Vielleicht wird Merkel Tsipras von ihrem Büro im 7. Stock aus auch den Reichstag zeigen - und ihm verdeutlichen, dass sie über Geldflüsse an Athen nicht allein entscheidet, sondern auf die Zustimmung des Bundestags angewiesen ist. Und auf die griechische Regierung ist die CDU/CSU-Bundestagsfraktion äußerst schlecht zu sprechen. Schon bei der Verlängerung des aktuellen Griechenland-Pakets gab es dort rund zehn Prozent Abweichler und viele signalisierten, dies sei ihr letztes Ja zu einem Rettungspaket gewesen.

In ihrer Regierungserklärung im Bundestag am Donnerstag machte Merkel aber auch den Griechen Hoffnung: Ausdrücklich bat sie die Abgeordneten um Unterstützung - für „Kreativität und Vertragstreue, feste Prinzipien ebenso wie Verständnis füreinander und Kompromissbereitschaft“.