Oktoberfest-Misere - „Kasimir und Karoline“ am Schauspielhaus Zürich
Zürich (APA/sda) - Am Bühnenrand befinden sich drei Zapfhähne. Wer Lust hat auf ein Bier, kann einen der bereitstehenden Maßkrüge füllen. Au...
Zürich (APA/sda) - Am Bühnenrand befinden sich drei Zapfhähne. Wer Lust hat auf ein Bier, kann einen der bereitstehenden Maßkrüge füllen. Auch Kasimir hat Durst, doch der Zapfhahn rechts scheint auf einmal ausgetrocknet; seine Begleiter lachen. Und sie tun dies noch viel mehr, als auch die andern beiden Hähne kein Bier hergeben wollen.
„Ohne Geld bist halt der letzte Hund“, sagt Kasimir frustriert. Ohne Geld ist der gelernte Chauffeur deshalb, weil er keinen Job mehr hat. Nun hat ihm, beim gemeinsamen Oktoberfest-Besuch, auch noch seine Verlobte Karoline den Laufpass gegeben. Unter diesen Umständen müsste man sich doch zumindest ordentlich besaufen können.
Die Regisseurin Barbara Weber, frühere Neumarkt-Intendantin, hat für Ödön von Horváths 1932 uraufgeführtes Volksstück am Schauspielhaus Zürich eine trostlose Nach-Party-Atmosphäre geschaffen. Die Bühne (Patrick Bannwart) ist übersät mit Abfall; von der Decke hängen silberne Glitzerfäden herunter. Eine Straßenlaterne taucht die Szenerie in grelles Licht.
Durch dieses nächtlich-triste Ambiente stolpern Horváths Figuren: der gutmütige, desillusionierte Kasimir (Christian Baumbach), seine Verlobte Karoline, eine Büroangestellte mit gesellschaftlichen Ambitionen (Marie Rosa Tietjen) und Schürzinger, ein dubioser Zuschneider, der mit Karoline anbandelt (Lukas Holzhausen).
Ebenfalls mit von der spätabendlichen Wiesn-Partie sind der Kriminelle Merkl Franz (André Willmund), seine Gefährtin Erna mit ihren eingefroren-lasziven Posen (Henrike Johanna Jörissen) und die beiden alten Lüstlinge Kommerzienrat Rauch (Michael von Burg) und Landgerichtsdirektor Speer (Claudius Körber).
„Wenn es dem Manne schlecht geht, dann hängt das wertvolle Weib nur noch intensiver an ihm“, erklärt Karoline - um gleich anzufügen: „könnt“ ich mir schon vorstellen.“ Der Nachtrag macht es klar: Die ehrgeizige junge Frau mit ihrer gleichzeitig frivolen und treuherzigen Ausstrahlung möchte keinen Versager als Bräutigam.
Man könnte es ihr übelnehmen - wären da nicht die erdrückenden sozialen Umstände (die Entstehung von Horváths Stück fällt in die Zeit der Weltwirtschaftskrise): Das Leben ist teuer, die Arbeitsstellen sind rar. Wer heiratet da nicht am liebsten einen pensionsberechtigten Beamten?
Ja, die Zeiten sind so schlecht, dass sogar der Schutzengel (Siggi Schwientek) den Glauben ans Gute verloren hat. Wenn er einsam auf der Bühne sitzt und Offenbachs berühmte „Barcarole“ singt, so ist das abgrundtief traurig. Und mit diesem Gefühl verlässt man denn auch die vom Premierenpublikum bejubelte Aufführung.
(S E R V I C E - Weitere Vorstellungen am 25., 26., 27. und 31. März, am 10., 16., 25., 19. und 28. April sowie im Mai. www.schauspielhaus.ch)