Sondierungen zur Regierungsbildung in Israel gestartet

Jerusalem (APA/AFP/dpa) - In Israel haben am Sonntag Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung begonnen. Es wird erwartet, dass der Auftrag...

Jerusalem (APA/AFP/dpa) - In Israel haben am Sonntag Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung begonnen. Es wird erwartet, dass der Auftrag zur Regierungsbildung an den bisherigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu geht. US-Präsident Barak Obama erneuerte unterdessen seine Kritik an Wahlkampfäußerungen Netanyahus.

Staatschef Reuven Rivlin empfing Delegationen der neu gewählten Parlamentsfraktionen, um zu entscheiden, wer die größten Chancen hat, eine Koalition zu bilden. Weil Netanyahus konservative Likud-Partei bei der Knesset-Wahl am vergangenen Dienstag mit 30 von 120 Sitzen überraschend deutlich zur stärksten Fraktion wurde, ist damit zu rechnen, dass der Auftrag zur Regierungsbildung an ihn geht. Am Sonntag waren Gespräche mit sechs der zehn Fraktionen verabredet, die es in die 20. Knesset geschafft haben.

Die weiteren vier Konsultationen sollen am Montag folgen. Dann sind auch Gespräche mit der rechtsliberalen Kulanu und der nationalistischen Partei „Unser Haus Israel“ an der Reihe, die noch nicht endgültig erklärt hatten, ob sie Netanyahu befürworten.

Beobachter erwarten jedoch, dass es dem amtierenden Regierungschef gelingen dürfte, eine rechtsgerichtete Koalition aus sechs Parteien zu bilden, darunter die beiden ultraorthodoxen, die über 67 Knesset-Mandate verfügt. Den Auftrag zur Regierungsbildung kann Rivlin frühestens am Mittwochabend erteilen, nachdem ihm das amtliche Endergebnis überreicht wurde.

Unverhohlen kritisch ging Obama mit jüngsten Äußerungen Netanyahus ins Gericht: Die israelische Demokratie verspreche jedem Bürger im Land Gleichheit und faire Behandlung, sagte der US-Präsident im Interview mit dem Nachrichtenportal „Huffington Post“. Sollte dieses Prinzip aufgegeben werden, werde das nicht nur denjenigen Auftrieb geben, die nicht an einen jüdischen Staat glaubten, sondern den Verfall der Demokratie in Israel einleiten. Netanyahu hatte während des Urnengangs in einem Video aufgerufen: „Arabische Wähler strömen in Trauben zu den Stimmlokalen. Geht wählen! Wählt Likud!“

Zugleich kritisierte Obama Netanyahus harte Haltung gegenüber den Palästinensern. „Wir nehmen ihm beim Wort, wenn er sagt, dass die Gründung eines Palästinenser-Staats während seiner Regierungszeit nicht geschehen werde, und deshalb müssen wir andere vorhandene Optionen prüfen, um sicherzustellen, dass wir keine chaotische Situation in der Region erleben“, sagte der US-Präsident. In Interviews mit US-Fernsehsendern ruderte Netanyahu nach der Wahl zurück; er habe lediglich gesagt, dass die Bedingungen für einen Palästinenser-Staat „derzeit nicht erreichbar sind“.

Der US-Botschafter in Israel, Daniel Shapiro, sagte dazu am Sonntag im Armee-Radio, seine Regierung prüfe noch, wie sie sich verhalten werde, wenn die Palästinenser erneut den UNO-Sicherheitsrat wegen der israelischen Besatzungspolitik einschalten. „Die Erklärung Netanyahus widerspricht Israels bisheriger Politik“, befand Shapiro.

Der staatliche Rundfunk und die Zeitung „Maariv“ zitierten am Sonntag Regierungsquellen, die den USA vorwarfen, sie würden Netanyahus Aussagen bewusst fehlinterpretieren. „Die internationale Staatengemeinschaft will mit dem Druck in der Palästinenser-Frage von den schlechten Atomverhandlungen mit dem Iran ablenken“, erklärten demnach leitende Mitarbeiter des Ministerpräsidenten.

Staatspräsident Rivlin rief unterdessen zu einem Heilungsprozess im Land auf. „Wir haben eine sehr stürmische Wahlkampfzeit hinter uns“, sagte Rivlin am Sonntag in Jerusalem. „Die neue Regierung wird Antworten für alle formulieren müssen - Juden, Araber, Rechte und Linke, Zentrum und Peripherie.“ Zum Auftakt der Beratungen mit den verschiedenen Fraktionschefs sprach sich Rivlin am Sonntag zudem für eine rasche Regierungsbildung aus.