Fristende um Mitternacht

Atomverhandlungen mit Iran auf der Zielgeraden

Der britische Außenminister Philip Hammond und US-Außenminister John Kerry spazieren in einer Verhandlungspause durch den Olympischen Garten neben dem Hotel, in dem mit dem Iran verhandelt wird.
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Am Dienstag läuft die selbstgesetzte Frist über eine Rahmenvereinbarung ab. Noch gibt es offenbar immer kritische Punkte, die noch nicht gelöst sind.

Lausanne – Wenige Stunden vor dem Ablauf der selbst gesetzten Frist sind am Dienstag in Lausanne die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm fortgesetzt worden. In der Früh trafen die Außenminister der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und Chinas zu Beratungen zusammen. Russland wurde durch Vize-Außenminister Sergej Riabkow vertreten.

Eine halbe Stunde später stieß die iranische Delegation um Außenminister Mohammad Javad Zarif zu den Verhandlungen hinzu. Die Frist zur Vereinbarung der angestrebten politischen Grundsatzvereinbarung läuft um Mitternacht ab.

US-Außenminister John Kerry hatte am Montagabend in Lausanne gesagt, es gebe „noch immer schwierige Punkte“. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, die Verhandlungen seien in einer „kritischen Phase“.

Ringen um letzte Streitpunkte

In der Nacht auf Dienstag berieten die Delegationen auf Expertenebene, um letzte Streitpunkte aus dem Weg zu räumen. Im Laufe des Tages wollte auch der russische Außenminister Sergej Lawrow, der am Montag zurück nach Moskau gereist war, nach Lausanne zurückkehren. Lawrow zeigte sich zuversichtlich, dass eine Einigung gelingen würde. Diese sei „machbar, wenn nicht eine Seite noch in letzter Minute neue Hürden errichtet“, sagte er in Moskau. Lawrow wird am Nachmittag wieder zu den Beratungen in Lausanne hinzustoßen.

Die sogenannte 5+1-Gruppe aus den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland bemüht sich seit Jahren um eine Einigung mit dem Iran über dessen Atomprogramm. Ziel ist es, dem Land die zivile Nutzung der Atomtechnologie zu erlauben, es aber an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Im Gegenzug sollen Strafmaßnahmen gegen Teheran aufgehoben werden. Beide Seiten streben an, nach der politischen Grundsatzvereinbarung bis Ende Juni ein vollständiges Abkommen samt technischer Einzelheiten abzuschließen.

Frist läuft bis Mitternacht, Verlängerung möglich

Die Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm gehen damit in den vorerst letzten Tag. Die selbstgesetzte Frist läuft um Mitternacht ab.

Die USA und der Iran hielten sich die Möglichkeit einer Verlängerung der Gespräche darüber hinaus offen. Alle Beteiligten zeigten sich jedoch entschlossen, rechtzeitig eine Einigung zu erzielen.

Laut dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier sind die Gespräche derzeit in einer „kritischen“ Phase. Er betonte: „Wir werden nichts unversucht lassen, um zu einem Ergebnis zu kommen.“ US-Außenminister John Kerry sagte am Montagabend dem TV-Sender CNN, es gebe „noch immer schwierige Punkte“. Laut Kerry arbeiten die Beteiligten hart. Alle wüssten, „welche Bedeutung“ der heutige Tag hat.

Fertiges Abkommen soll bis Ende Juni stehen

Nach einer Grundsatzeinigung soll bis Ende Juni ein umfassendes Abkommen samt technischer Einzelheiten ausgearbeitet werden. Der Westen will sicherstellen, dass der Iran in Zukunft Atomkraft zivil nutzen kann, ohne Atomwaffen zu erlangen. Teheran will die Aufhebung der Sanktionen, die die iranische Wirtschaft massiv belasten.

Steinmeier zufolge ist vor allem umstritten, wie der Iran nach einer Phase, in der höherwertige Atomforschung untersagt sei, weiter verfahren dürfe. „Wir können nicht zulassen, dass es nach zehn Jahren eine geradezu explosionshafte Entwicklung gibt, sondern wir müssen darauf achten, dass der Iran weiterhin nachprüfbar und dauerhaft von dem Zugriff auf Atomwaffen ausgeschlossen bleibt“, sagte er. Teheran will nach Ablauf einer solchen Frist sein Atomprogramm wieder uneingeschränkt betreiben dürfen. Der Westen fordert weitere Restriktionen.

Tauziehen um Ende der Sanktionen

Umstritten ist zudem, wie schnell Strafmaßnahmen im Falle einer Einigung aufgehoben werden sollen. Teheran fordert rasche und umfassende Sanktionserleichterungen. Von den zahlreichen Maßnahmen will der Westen hingegen vor allem die UNO-Restriktionen möglichst lange aufrechterhalten, da sie den Transfer von Atomtechnologie in den Iran einschränken. Weitere Sanktionen betreffen etwa den Ölexport und iranische Konten im Ausland.

Kritik an den Verhandlungen gibt es unter anderem im republikanisch geführten US-Kongress und bei den US-Verbündeten am Golf, allen voran Saudi-Arabien. Als schärfster Gegner eines Atomabkommens zeigte sich erneut der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. (APA/dpa/AFP)