Wolfgang Muthspiels „Vienna, World“: Resümee einer „lustvollen Reise“
Wien (APA) - Für sein neues Album „Vienna, World“ hat Jazzgitarrist Wolfgang Muthspiel ungewöhnliche Wege beschritten. Knapp ein Jahr lang b...
Wien (APA) - Für sein neues Album „Vienna, World“ hat Jazzgitarrist Wolfgang Muthspiel ungewöhnliche Wege beschritten. Knapp ein Jahr lang begab sich der gebürtige Steirer auf musikalische Weltreise und nahm die 13 Tracks in fünf verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Bands auf. „Vielleicht war ein Gedanke zu Beginn, dass ich mir selbst damit ein Jahr designe“, erzählte er über die Anfänge des Projekts.
Dieses hängt auch direkt mit der Platte „Vienna Naked“ aus dem Jahr 2012 zusammen: Darauf hat sich Muthspiel erstmals als Sänger präsentiert und verfolgt diese Konstellation nun weiter, nur eben mit internationalem Touch. „Es war in erster Linie etwas, das auch als Inspiration gedient hat“, sagte Muthspiel im APA-Interview über die Idee der weltumspannenden Studiobesuche. „Da überlegt man sich: Okay, wir sind in Argentinien - was spielen wir da, was soll ich da schreiben, welche Songs könnten da gut klingen, wer soll das spielen?“
Neben der Heimat des Tango standen auch noch Brasilien, Schweden, die USA und Österreich auf der Liste des 50-Jährigen. „Im Verlaufe der Reise gab es natürlich Situationen, die schwierig waren, weil es logistisch ein großes Projekt war.“ Besonders Brasilien habe sich diesbezüglich von seiner herausfordernden Seite gezeigt. „Das Zeitempfinden dort ist ein anderes als bei uns“, schmunzelte Muthspiel. „Aber insgesamt ist es eine lustvolle Reise gewesen. Es gibt nichts, was ich bereue.“
Denn die örtlichen Gegebenheiten, die Stimmung und Atmosphäre, die er gemeinsam mit seinen Mitmusikern aufgeschnappt habe, spiegle sich auch in den Songs wider. „Etwa dieses brasilianische Temperament: Die machen einfach gern Party. Sobald man zusammensitzt, packt jemand ein Instrument aus und es geht los. Da machen alle mit, auch die Nichtmusiker. Das finde ich toll, da kann man viel lernen als kontrollierter Mitteleuropäer.“
Dass er die Zügel auch mal schleifen lassen kann, belegen nicht nur Stücke wie das energetische „Lover Like You“. Auch der Input seiner Kollegen sei - trotz bereits fertiger Songs - immer wichtig für Muthspiel gewesen. „Die Arrangements sind vor Ort entstanden, mit ein paar Hinweisen von mir. Wenn sich die Musiker einbringen, dann formt das das Stück nochmals wirklich. Ihre Sicht beeinflusst den Song.“ So wurde beim Proben „experimentiert“, während Konzerte in den jeweiligen Städten dazu dienten, „tiefer in die Musik einzudringen“.
Außerdem gab es noch einen weiteren Hintergedanken: Filmemacherin Laura Pleifer hat Muthspiel nämlich bei seiner Reise begleitet. „Es gibt wochenlang Material“, lachte der Musiker. Für die Regisseurin bestehe nun die Herausforderung, daraus eine Erzählung hinzukriegen, „aus der man eine Art Resultat oder Erkenntnis mitnimmt“. Und um nicht nur „Studioszenen mit Leuten, die Kopfhörer aufhaben“ zu liefern, seien die Konzerte eine willkommene Abwechslung gewesen. „Da gibt es dann etwas Action und es ist weniger konzis und kontrolliert.“
Wie unberechenbar die Natur ist, habe sich unter anderem in Schweden gezeigt. „Das Studio war eine Farm am Land, völlig ruhig und friedlich“, erinnerte sich Muthspiel. Zwischen Community-Living und Ferienlager habe er sich dort gefühlt, während sich bei den Aufnahmen schon mal ein Hahn lautstark gemeldet hat. Im Gegensatz dazu sei es im brasilianischen Studio „busy und nervöser“ zugegangen, während man in New York ein „super-professionelles High-End-Studio“ zur Verfügung hatte. „So hat jedes Studio, jeder Ort etwas dazu beigetragen.“
Und natürlich die Musiker: Von Becca Stevens, die gemeinsam mit Muthspiel die melancholischen „Angel Envy“ und „And Then“ singt, über die Rhythmussektion Per und Sven Lindvall bis zu alten Bekannten wie Alegre Correa und Alune Wade. Trotz dieser Vielfältigkeit in Ort, Zeit und Personal besticht „Vienna, World“ durch ein organisch fließendes Hörerlebnis. „Was die Lieder zusammenführt ist sicher mein Geschmack, der da drauf ist. Außerdem sind sie in einer gewissen Phase entstanden. Ansonsten genügt wohl mein Gesang und Gitarrenspiel als roter Faden. Ich habe ja nicht versucht, Homogenität zu schaffen.“
Das zeigt sich besonders durch die verschiedenen Stile, die „Vienna, World“ bereithält: Von der gefühlvollen Ballade über Up-Tempo-Nummern, dem Blues verbundene Kompositionen oder im Pop Anleihen nehmende Songs - Muthspiel lässt sich nicht in eine Ecke drängen. „Beim Prozess des Erschaffens und Aufnehmens verschwende ich keine Sekunde daran, in welches Format das passen könnte“, unterstreicht der Musiker, der auch als Sänger deutlich gereift ist. „Es ist weder Jazz, noch Pop, noch Singer-Songwriter. Also kann es mir egal sein.“ Live sind die neuen Stücke u.a. am 11. April in Bregenz, am 13. April in Innsbruck und am 14. April in Wien zu erleben.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - www.viennaworld.net)
(B I L D A V I S O - Bilder von Wolfgang Muthspiel wurden mehrfach über den AOM verbreitet und sind dort abrufbar.)