Antibiotika: Die Wunderwaffe wirkt nicht mehr
Breitbandantibiotika haben ein großes Anwendungsfeld bei bakteriellen Erkrankungen. Sie sind aber mitunter der Grund für Resistenzen. Ein weltweites Problem, das jetzt US-Präsident Barack Obama beschäftigt.
Von Theresa Mair
Innsbruck –Koffer auf, Breitbandantibiotikum hinein, Koffer zu. Ein Medikament für alles: Halsweh, Durchfall, Fieber und was sonst noch so kommen mag. Die Allzweckwaffe Antibiotikum ist praktisch – vor allem auf Reisen, wenn man den Urlaub nicht beim Arzt verbringen will. Doch die vermeintliche Wunderwaffe hat Tücken.
Die unreflektierte Einnahme von Breitbandantibiotika „ist ein Fehler, der sehr häufig gemacht wird“, sagt Cornelia Lass-Flörl, Direktorin der Sektion für Hygiene und medizinische Mikrobiologie an der Med-Uni Innsbruck. Denn es könne sich bei diesen Erkrankungen um Virusinfektionen handeln, wogegen Antibiotika wirkungslos sind. Durch das breite Anwendungsgebiet bestimmter Antibiotika würden aber auch Resistenzen gefördert.
Mit dem Hinweis, dass resistente Keime „eines der drängendsten Gesundheitsprobleme, denen sich die Welt heute gegenübersieht“, sind, hat US-Präsident Barack Obama der Überverschreibung den Kampf angesagt. Vor wenigen Tagen gab er das Ziel aus, den ungeeigneten Einsatz von Antibiotika drastisch zu senken. Bei ambulant betreuten Patienten soll der Verbrauch sogar auf die Hälfte heruntergeschraubt werden. Laut der US-Seuchenbehörde führen Antibiotika-resistente Bakterien in den USA rund zwei Millionen Mal im Jahr zu Krankheiten, etwa 23.000 Menschen sterben dadurch. Lass-Flörl begrüßt den Vorstoß Obamas: „Zwar ist das Ausmaß der Resistenzen in Österreich nicht so groß wie in den USA, aber auch hier ist die Tendenz steigend.“
Antibiotika wirken nämlich nicht nur auf krankmachende Erreger, sondern auch auf die Bakterienflora im Darm, wie die Expertin erklärt. „Manche Mikroorganismen sterben durch das Medikament, andere können sich unter einer Therapie sogar vermehren, wie zum Beispiel der Durchfallerreger Clostridium difficile.“
Lass-Flörls Abteilung erstellt jedes Jahr den Tiroler Resistenzbericht, in dem das aktuelle Auftreten von resistenten Bakterien und Pilzen in Krankenhäusern festgehalten wird. Dabei unterscheiden die Experten zwischen österreichweit vorkommenden Problemkeimen und lokalen Trends. So verzeichne man in Salzburg z. B. häufiger Infektionen mit Clostridium difficile als in Tirol. Das sei auf Unterschiede von medizinischen Interventionen, im Verbrauch von Antibiotika sowie im Lifestyle zurückzuführen. Österreichweit ist es in den vergangenen fünf Jahren laut der Expertin aber auch gelungen, resistente Staphylokokken (MRSA), die schwere Infektionen auslösen können, zu reduzieren.
Dieses positive Ergebnis ist auf Strategien des Gesundheitsministeriums und des Landes Tirol zurückzuführen. Das Projekt „Rationaler Einsatz von Antibiotika“ sowie der „Aktionsplan Händehygiene“ gehören dazu. Dabei fällt besonderes Augenmerk auf die regelmäßige Hand-Desinfektion im Krankenhaus, damit resistente Keime nicht von einem Patienten auf den anderen übertragen werden. Außerdem gibt es im Rahmen des „Aktionsplans Surveillance“ des Ministeriums Antibiotika-Schulungen für Ärzte und Antibiotika-Beauftragte in den Spitälern. „In einem nächsten Schritt sollen nun die niedergelassenen Ärzte involviert werden“, gibt Lass-Flörl einen Ausblick.
Bei mehr als hundert in Österreich zugelassenen Präparaten geht für sie auch bei den Antibiotika die Entwicklung in Richtung personalisierte Medizin. Also weg von den Breitbandantibiotika, zurück zu den – oft auch schon älteren – Schmalspektrum-Antibiotika. „Bei einer Mandelentzündung kann man z. B. ein breites Medikament einsetzen, das viele Bakterien angreift. Man kann aber auch mithilfe eines Abstriches den Infektionserreger identifizieren und ein Schmalspektrum-Antibiotikum geben. Das ist dann eine zielgerichtete Therapie“, erklärt Lass-Flörl.
US-Kritiker bemängeln, dass Obama das Auftreten von Resistenzen in der Umwelt in seiner Initiative ausspart. Dahinter vermutet Lass-Flörl wirtschaftliche Gründe: „In der Massentierhaltung, z. B. in der Schweinemast, bekommen gesunde Tiere dieselben Antibiotika wie Menschen, damit sie sich auf engem Raum nicht gegenseitig anstecken können. Mit dem Genuss von Fleisch nehmen wir so auch Antibiotika zu uns. Das ist erwiesen.“ Resistenzen könne man also nicht nur im ärztlichen Bereich bekämpfen. „Ein Verbot der Antibiotika-Gabe an Tiere würde aber die Massentierhaltung einschränken“, so Lass-Flörl.
Wissenswertes
Worauf man bei der Einnahme von Antibiotika achten soll:
1. Information:
Die meisten Antibiotika werden zwar vom Arzt verschrieben. Dennoch sollte man sich über die Inhaltsstoffe von Medikamenten informieren.
2. Linderung: Stellt sich nach zwei bis drei Tagen Antibiotika-Einnahme keine Verbesserung ein, sollte man dies beim Arzt abklären. Eine Resistenz könnte der Grund sein.
3. Tests: In Blut- und Harnproben sowie Abstrichproben werden bakterielle Erreger nachgewiesen. Darauf wird ein geeignetes Antibiotikum abgestimmt.
4. Hygiene: Regelmäßiges Händewaschen und Desinfektion verhindert, dass resistente Keime auf gesunde Menschen übertragen werden.
Was man bei der Antibiotika- Einnahme nicht darf:
1. Abbruch: Die verordnete Dosierung von Antibiotika muss eingehalten werden und darf auch nicht frühzeitig abgebrochen werden. Sonst vermehren sich die Keime wieder.
2. Selbstmedikation: Antibiotika sollen nur nach ärztlicher Verordnung eingenommen werden. Ein häufiger Fehler ist, dass Reste eigenmächtig geschluckt werden.
3. Kombinationstherapien: Breitband-Antibiotika sind häufiger Bestandteil der Reiseapotheke. Durch die Breite können Resistenzen entstehen.
4, Falsche Indikation: Antibiotika helfen nur bei bakteriellen Infekten, nicht bei Virus-Erkrankungen. Stellt sich kein Therapieerfolg ein, sollte dies ärztlich untersucht werden.