Gehirn-Reaktion auf Fürwörter könnte auf psychische Störung hinweisen

Wien (APA) - Die Art der Verarbeitung von Fürwörtern im Gehirn könnte laut einem internationalen Forschungsteam um den Wiener Neurobiologen ...

Wien (APA) - Die Art der Verarbeitung von Fürwörtern im Gehirn könnte laut einem internationalen Forschungsteam um den Wiener Neurobiologen Peter Walla Hinweise darauf geben, ob und wie jemand sich selbst und seine Umwelt wahrnimmt. Aus der Reaktion des Gehirns ließen sich möglicherweise Hinweise auf die Persönlichkeitsentwicklung und somit in weiterer Folge auf vorliegende psychische Störungen ableiten.

Die Basis dieser Theorie bildet die Erkenntnis, dass die menschliche Persönlichkeit oder das „Ich“ aus verschiedenen Komponenten besteht. Dass dem so sein könnte, vermuten Wissenschafter schon seit mehr als 100 Jahren. Ein neurowissenschaftlicher Beleg dafür stand allerdings noch aus.

Bereits in den Jahren 2007 und 2008 konnten Walla und Kollegen aber durch Messungen der Hirnstromaktivität mittels Elektroenzephalografie (EEG) und Magnetoenzephalographie (MEG) zeigen, „dass es tatsächlich zumindest zwei Aspekte gibt“, wie Walla der APA erklärte. Diese beiden Ich-Anteile nannten die Wissenschafter „Me1“ und „Me2“. In Studien anderer Forscher seien diese Erkenntnisse bestätigt worden.

„Me1“ könnte man als ein „unbewusstes Wir“ bezeichnen, so der Leiter des Departments für Psychologie an der Webster Vienna Private University. Seinen Sitz dürfte diese Verarbeitungsinstanz im hinteren Teil des Gehirns im Bereich des für Sprachverständnis zuständigen Areals haben. Wird das Gehirn mit einem Reiz, wie etwa den Fürwörtern „ein“, „mein“, „sein“ und „dein“ konfrontiert, reagieren die Nervenzellen (Neuronen) dort nach etwa 250 Millisekunden. Hier dürfte die generelle Bewertung dahingehend erfolgen, ob sich der Ausdruck auf irgendeine Person bezieht oder nicht. „Da löst ‚mein‘ und ‚sein‘ die gleiche Gehirnaktivität aus. Beide unterscheiden sich aber von ‚ein‘“, so Walla.

„Me2“ sitzt an einer anderen Stelle im Gehirn, weiter vorne auf der linken Seite, und auch die neuronale Reaktion taucht ungefähr 200 Millisekunden später auf. Hier sieht die Hirnaktivität auf „mein“ und „sein“ auch „klar unterschiedlich“ aus, wie der Forscher erklärte. Es wird also analysiert, ob der Ausdruck auf einen selbst oder eine andere Person hinweist.

„Me1“ könnte eine Form des primitiven Ichs sein, über die Babys und kleine Kinder vielleicht schon sehr früh verfügen. „Aber das Me2, das dann das eigentliche Ich ist, muss sich erst entwickeln“, vermutet Walla, der seine Überlegungen mit seiner deutschen Kollegin Cornelia Herbert im Fachjournal „Cogent Psychology“ darlegt.

Mit einer relativ einfachen Messung der Reaktion auf genau diese Fürwörter ließe sich demnach eine erste Einschätzung treffen, ob bei einer Person diese beiden Ich-Instanzen tatsächlich entwickelt sind. Das sei wichtig, da mehrere psychische Störungsbilder wie Persönlichkeitsstörungen oder Schizophrenie „mit gestörten Ich-Formen einher gehen“, wie es Walla ausdrückte. Probleme bereitet Betroffenen etwa das Zuordnen von Emotionen.

Würde man mit diesem Ansatz nun weitere Untersuchungen durchführen, könne man herausfinden, wo genau die Zuordnung Schwierigkeiten bereitet. Man hätte so eine bessere Möglichkeit zur Diagnose, was dann auch zu einem besseren Verständnis dieser Krankheitsbilder beitragen könnte. Auch andere Therapieansätze könnten daraus abgeleitet werden, zeigte sich der Forscher überzeugt.

Wichtige Hinweise könnten so vor allem bei kleinen Kindern oder anderen Personen gesammelt werden, die sich nicht gut mitteilen können. Denn bisherige Diagnoseverfahren basieren großteils auf Befragungen.

(S E R V I C E - Die Publikation im Internet: http://dx.doi.org/10.1080/23311908.2015.1019236)