Ende der Eiszeit? Möglicher Atomdeal mit Iran als historische Zäsur
Lausanne/Washington (APA/dpa) - Will der Iran heimlich an Atomwaffen gelangen? Diese Frage treibt die Weltöffentlichkeit seit mehr als einem...
Lausanne/Washington (APA/dpa) - Will der Iran heimlich an Atomwaffen gelangen? Diese Frage treibt die Weltöffentlichkeit seit mehr als einem Jahrzehnt um. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 versucht der iranische Präsident Hassan Rohani, die UN-Vetomächte und Deutschland vom Gegenteil zu überzeugen. Im Iran knüpfen sich große Hoffnungen an ein Abkommen, das den Atomstreit beenden soll. Doch auch im Falle einer Einigung blieben viele Fragen offen.
Im schweizerischen Lausanne haben Außenminister und Vertreter aus den USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien sowie Deutschland und dem Iran in den vergangenen Tagen alles versucht, um den entscheidenden Schritt zu einer Einigung voranzukommen. In einem Luxushotel am Genfer See verbrachten sie Tage und Nächte in Konferenzräumen. Verhandlungsdetails drangen nur wenige nach außen. Stattdessen ließ sich US-Außenminister John Kerry in den Pausen beim Radfahren am See fotografieren, während sein iranischer Amtskollege Mohammad Javad Zarif am Ufer spazieren ging.
Von einer Einigung im Atomkonflikt hängt viel ab. Im Iran hoffen Millionen von Menschen auf ein Abkommen, ein Ende der Wirtschaftssanktionen und damit auch der astronomischen Inflation. Denn seit Beginn des Konflikts vor rund zwölf Jahren ist die Islamische Republik international weitgehend isoliert. Damit soll Schluss sein.
Dabei beachten nur wenige im Iran, dass das eigentliche Abkommen erst bis Anfang Juli unterzeichnet werden soll. „Wenn die das schaffen, wird schon nächste Woche alles billiger“, sagt etwa der Straßenhändler Rassul in Teheran hoffnungsfroh.
Tatsächlich würde es voraussichtlich noch einige Zeit dauern, bis die Menschen im Iran tatsächlich wirtschaftliche Auswirkungen spüren. Selbst im günstigsten Falle würde die Aufhebung der von EU, USA und UN verhängten Sanktionen nicht von heute auf morgen geschehen. Bis die Islamische Republik - vor den Sanktionen eine der großen Ölförderstaaten - tatsächlich wieder mehr Öl exportieren darf, könnten noch Monate vergehen.
Einen großen Stolperstein dafür stellt der US-Kongress dar. Bis Mitte April wollte das republikanisch geführte Parlament darüber entscheiden, ob das bis Ende Juni angepeilte Abkommen mit dem Iran von seiner Zustimmung abhängig gemacht werden soll.
Das als „Iran Nuclear Agreement Review Act“ bekannte Gesetz würde Präsident Barack Obama zwingen, den Text einer Einigung mit Teheran dem Kongress vorzulegen. Zugleich würde es die Aufhebung bestehender Sanktionen für 60 Tage verbieten, um den Abgeordneten Zeit für die Debatte darüber zu geben.
Auch im Nahen und Mittleren Osten werden die Verhandlungen kritisch beäugt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mahnt seit Jahren, dass der Iran nicht vertrauenswürdig sei. Arabische US-Verbündete am Golf - zum Beispiel das sunnitische Königreich Saudi-Arabien - sorgen sich hingegen um ihre privilegierten Beziehungen zu den USA und fürchten ein Erstarken des schiitischen Irans. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sieht hingegen andere Chancen: Ein Abschluss der Atomverhandlungen wäre ein Beitrag zu mehr Stabilität in der Region, sagt er.