Blech mit großer Anziehungskraft: Manu Delago stellt neues Werk vor
Nach der Tour ist vor der Tour: Manu Delago schaut nach seinen US-Auftritten mit Björk mit seiner eigenen Band und dem neuen Album „Silver Kobalt“ in Tirol vorbei.
Von Silvana Resch
Innsbruck –Da surren, britzeln und knarzen die Magnete, fein säuberlich aufgereiht auf einem Klangteppich sphärischer Hang-Melodien und futuristischer Soundtüfteleien: „Plus Minus“ heißt die zweite Nummer auf dem neuen Album von Manu Delago bezeichnend. Der Multiinstrumentalist und Komponist hat sich nämlich mit Fragen des Magnetismus befasst. Was zieht uns an, was stößt uns ab? Gefeiert werden dabei beide Pole, wie Delago in den Liner Notes versichert. „Silver Kobalt“ betitelte er seine Platte nach dem chemischen Element, das von Bergleuten einst als wertlos erachtet wurde. Kobolde hätten das begehrte Silber aufgefressen und minderwertiges Eisenerz, abwertend „Kobalt“ genannt, ausgeschieden, so die Sage. Von den Kobolden ist es nur ein kleiner Schritt zu den Elfen und Trollen, die Island, die Heimat von Popstar Björk, besiedeln. Die Universalkünstlerin, die die animistische Tradition ihrer Heimat – also den Glauben, dass alle Dinge beseelt sind – mit in die Popwelt brachte, wird derzeit mit einer Retrospektive im New Yorker MoMa gewürdigt, die TT berichtete.
Natur und Technik hat die Sängerin auf völlig neue Art zusammengedacht. Vom neuartigen und auf seltsame Art vertrauten Klang des Instrumentes Hang war sie da ebenso fasziniert wie ein weltweites Millionenpublikum, das 2007 Delagos Musikvideo „Mono Desire“ auf YouTube anklickte. Der Tiroler Hang-Virtuose wurde daraufhin von Björk für ihre „Biophilia“-Tour (2011) engagiert. Auch bei den jüngsten Auftritten in der New Yorker Carnegie Hall ist der Schlagzeuger und Hangspieler – der teilweise auch Impulsgeber ist – freilich mit dabei. Dass er immer wieder nach dem Popstar gefragt wird, stört Delago nicht: „Sie hat eine spezielle Magie und sie ist so eine besondere Künstlerin, ich würde auch nach Björk fragen.“
Sein soeben erschienenes Album hat er ihr aber noch nicht überreicht: „Ich warte auf das Vinyl-Album, das werde ich ihr morgen geben“, so Delago im Skype-Gespräch. Nach dem Albumrelease von „Silver Kobalt“ in New York kommt der gebürtige Zammer mit seiner Band Manu Delago Handmade dieser Tage auch nach Tirol. Termine in Wattens (10. April), Landeck (12. und 13. April) und Wörgl (18. April) sind angesetzt. „Hier zu spielen ist immer besonders. Die Leute, die mich am längsten kennen, sind im Publikum und ich will zeigen, dass ich etwas Neues mache, dass ich mich weiterentwickelt habe.“
Nicht nur Björk hat den Komponisten inspiriert, sondern auch die Sitar-Spielerin Anoushka Shankar, mit der der 30-Jährige hauptsächlich tourt. Durch sie hat er den Beat neu für sich entdeckt: „Ich hab’ als Teenager sehr viel rhythmusorientierte Musik gespielt und mit dem Hang bin ich ein bisschen davon weggekommen.“ Auf „Silver Kobalt“ gehen nun technoide Beats mit indischen Rhythmen Hand in Hand. Wie schon der Vorgänger „Bigger than home“ entstand die Platte in Zusammenarbeit mit Produzent Matt Robertson, der auch den Sound von Björk, The Streets oder The Prodigy verantwortet.
Die vielfältigsten Einflüsse hat Manu Delago auf seinem experimentellen Pop-Album zu einem poetischen Ganzen verflochten. Instrumental- und teils wehmütige Vokalnummern halten sich die Waage. Auf dem Eröffnungstrack „Disgustingly Beautiful“ trägt etwa Isa Kurz’ feinfühliger Gesang im Dialog mit dem Hang über zischende, knackende Electrobeats hinweg. Kurz ist im Gegensatz zu den Gastvokalistinnen am Album auch fixes Manu-Delago-Handmade-Mitglied. Mit dem Quartett versucht der Komponist neue Klangwelten zu erkunden. „Am Hang Neues zu entdecken, wird immer schwieriger, aber ich versuche, das Instrument neu in die Musik einzubauen.“ Die Faszination für die Blechhalbkugeln, deren Möglichkeiten er seit 2003 erforscht, gehe indes nicht verloren. Eine nahezu magnetische Anziehungskraft – auch für die Hörer.