Exklusiv

EU investiert 700 Milliarden Euro in Verkehrsnetz

Rund 40 Kilometer Tunnel wurden bereits ausgebrochen.
© Thomas Böhm / TT

EU-Kommissarin Violeta Bulc und Verkehrsminister Alois Stöger schreiben exklusiv für die Tiroler Tageszeitung: „Ein vernetztes europäisches Verkehrssystem ist das Rückgrat unserer Wirtschaft.“

Innsbruck –Ohne Verkehrsinfrastruktur geht es nicht, auch wenn sie teuer und nicht von heute auf morgen realisierbar ist. Deshalb müssen wir zusammenarbeiten. Unser Bedarf ist groß, unsere Mittel begrenzt. Die Qualität unserer Verkehrsinfrastruktur wirkt sich aber auf den Alltag aller Bürgerinnen und Bürger aus.

Wir wollen bis 2030 ein voll funktionsfähiges Verkehrsnetz verwirklichen, das Europa von Ost nach West und von Nord nach Süd verbindet. Ohne ein wirklich vernetztes Verkehrssystem bleibt unser Binnenmarkt unvollendet. Trotz mancher Fortschritte haben wir immer noch kein integriertes Netz für einen reibungslosen Personen- und Güterverkehr. Nach wie vor fehlen länderübergreifende Abschnitte, was immer wieder zu Engpässen führt. Im länderübergreifenden Schienenverkehr kommt es zu unnötigen Verzögerungen, weil die Systeme nicht kompatibel sind. Die verschiedenen Verkehrsträger sind nur unzureichend miteinander verknüpft. Wir werden diese Probleme aber überwinden, weil wir zur Zusammenarbeit entschlossen sind.

Mit einem eigens für dieses Netz vorgesehenen Budget von 26 Milliarden Euro und weiteren EU-Finanzmitteln ist das möglich. Investitionen in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur sind in Europa jahrelang vernachlässigt worden. Diese Investitionslücke, die unsere Verkehrsverbindungen und unsere Wettbewerbsposition beeinträchtigt, muss dringend geschlossen werden. Damit sich Europas Wirtschaft erholen und im globalen Wettbewerb bestehen kann, brauchen wir eine hochwertige Verkehrsinfrastruktur über die Ländergrenzen hinweg.

Um unser Verkehrsnetz zu sanieren, müssen wir bis 2030 rund 700 Milliarden Euro investieren. Die Kommission hat unlängst eine Ausschreibung für das gesamte Netz gestartet und zu diesem Zweck Finanzierungsmöglichkeiten von bis zu 12 Milliarden Euro vorgesehen. Wenn wir heute investieren, schaffen wir umgehend Arbeitsplätze im Planungs- und Bausektor und sorgen damit auch langfristig für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Zusätzlich zu den bereits verfügbaren EU-Mitteln hat die Kommission einen mit 315 Milliarden Euro ausgestatteten Fonds für strategische Investitionen eingerichtet. Unlängst wurden in Österreich die Investitionen der letzten Jahrzehnte spürbar, als Großprojekte wie die Hochgeschwindigkeitsstrecke Wien–St. Pölten, der Wiener Hauptbahnhof und ein Teil der nördlichen Brenner-Anbindung in Betrieb genommen wurden. Auch die laufenden Investitionen werden sich in Österreich in den nächsten Jahren positiv auswirken.

Allerdings bleibt noch viel zu tun. Um die Straßen zu entlasten und die negativen Auswirkungen des Verkehrs, insbesondere in der empfindlichen Alpenregion, zu minimieren, müssen wir unser Schienennetz weiter verbessern. Wir brauchen moderne Verkehrsleitsysteme und müssen dafür sorgen, dass die bereits bestehende und aus Steuern finanzierte Infrastruktur besser genutzt wird. Beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur müssen wir auf erneuerbare Energien wie elektrisch betriebene Pkw und Züge setzen. Durch die Anwendung des Verursacherprinzips, das in der EU zunehmend an Akzeptanz gewinnt, können wir die von uns verursachten Umweltschäden mindern. Investitionen erhöhen die Sicherheit und verringern das Risiko von Katastrophen wie dem Brand im Montblanc-Tunnel oder einem ähnliches Unglück im Tauerntunnel 1999.

Wir sind in Innsbruck zusammengekommen, um all diese Fragen zu erörtern und die erzielten Fortschritte wie den Beginn der Bauarbeiten am Brennerbasistunnel zu begutachten. Der Brennerbasistunnel ist ein wichtiger Teil der Skandinavien-Mittelmeer-Achse, die Skandinavien mit Deutschland, Österreich und Italien verbindet und bis hinunter nach Malta reicht. Dieses länderübergreifende Projekt darf nicht isoliert betrachtet werden, denn es kommt einem großen Gebiet zugute. Dasselbe gilt für den Fehmarn-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark, der ebenso wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung der Skandinavien-Mittelmeer-Achse ist.

Gleichermaßen ist der Ostsee-Adria-Korridor, der die Ostseehäfen und die Wirtschaftszentren Polens über Tschechien, die Slowakei und – über den Semmering und die Koralm – die österreichischen Alpen mit den Häfen und Industrieregionen Norditaliens und Sloweniens verbindet und einen ebenso erheblichen Verkehrszuwachs zu erwarten hat, für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs von großer Bedeutung.

Gemeinsam haben wir diese Woche unsere Entschlossenheit bekräftigt, die alpenquerenden Verkehrskorridore, einschließlich der wichtigsten Eisenbahntunnel und ihrer Zufahrtsstrecken, zu vollenden, um die Engpässe in der Region zu beseitigen. Das Geld unserer Steuerzahler ist eine begrenzte Ressource, weshalb wir zusammenarbeiten und auf eine sinnvolle Verwendung dieser Mittel achten müssen.

Der Verkehr ist ein zentraler Aspekt unseres Alltags. Im Interesse einer florierenden Wirtschaft dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Verkehrsinfrastruktur ins Hintertreffen gerät.

Violeta Bulc ist eine slowenische Politikerin und seit dem 1. November 2014 EU-Kommissarin für Verkehr; Alois Stöger (SPÖ) war von Dezember 2008 bis Ende August 2014 österreichischer Bundesminister für Gesundheit, seit dem 1. September 2014 ist er Bundesminister für Verkehr.

Violeta Bulc und Alois Stöger beschwören die Zusammenarbeit.
© Die Fotografen