Die Arktis am Gardasee
In Richtung Gardasee ging es am Wochenende. Einige Kilometer nördlich davon wurden dann aber die Tourenski ausgepackt und der 3554 Meter hohe Adamello bestiegen. Fazit: Zu erleben gibt es viel.
Von Irene Rapp
Passo del Tonale –Wir schreiben das Jahr 2015, 29. März. Unendliche Weiten aus Eis, so muss es in der Arktis aussehen. Ein Snowkiter zieht auf dem riesigen Gletscher seine Runden, zwei Menschen darauf wirken wie Ameisen. Auf dem Weg zum Adamello in der Adamellogruppe am Südrand der Ostalpen. Kaum vorstellbar, dass der Gardasee nur wenige Kilometer weiter südlich liegt. Denn hier, auf über 3000 Metern Höhe, erinnert nichts an das Meer der Tiroler.
Dafür lacht das Skitourengeher-Herz. Denn man ist in einem hochalpinen und beeindruckenden vergletscherten Gelände unterwegs. Die Hütten verströmen reizvollen italienischen Charme und dazu trafen wir am Wochenende immer wieder flotte Italiener in Rennanzügen, die für ein Skitourenrennen am 12. April trainieren. Beim Adamello Ski Raid sind von Dreier-Teams 40 Kilometer sowie 3400 Höhenmeter zu bewältigen. In sieben Stunden will er es schaffen, erzählte einer der Teilnehmer am Adamello.
So kommt man hin: Über den Brenner bis nach Mezzocorona, wo man über Mezzolombardo und Cles zum Tonalepass fährt. Hier fängt es zunächst gemütlich an. Mit der Presena-Seilbahn auf eine Seehöhe von 2980 Metern Höhe, dann werden die Skier angeschnallt und es geht die wenigen Meter auf den Passo Presena hinauf (2997 m).
Von hier aus lässt die traumhafte Szenerie schon erahnen, was einen die nächsten Tage erwartet. Nun fährt man ab, zunächst rechts halten, dann geht es Richtung Süden über mehrere Stufen zum Rifugio Mandrone (2449 m). Wir haben den ersten Tag auf dieser gemütlichen Hütte übernachtet, allerdings ist es von hier aus ein kilometerlanger Hatscher zum Adamello – allein der Gletscher soll über acht Kilometer lang sein.
Näher zu dem markanten Gipfel hat man es, wenn man sich auf der nächsten, höher gelegenen Hütte – der Lobbia Alta (3020 m) – einquartiert. Ein an ein tibetisches Felskloster erinnerndes Bauwerk, das sich an den Fels einer formschönen Pyramide schmiegt – und das Essen ist natürlich auch hier traumhaft, die Wirtsleute sehr herzlich.
Sonntagmorgen haben wir uns dann auf den Weg zum Adamello gemacht: Dazu am verschneiten Lago Mandrone unterhalb der Mandrone-Hütte vorbei, auf der rechten Hangseite und diese bald querend zum Mandrone-Gletscher hinauf. Man hält sich immer auf der linken Seite, zumeist sind Spuren vorgegeben, sodass man eine grobe Orientierungshilfe hat.
Und dann präsentiert sich der Mandrone-Gletscher, der zweitgrößte in Italien, auf rund 2800 Metern Höhe auf einmal in seiner ganzen Pracht. Wie in einer riesigen Pfanne liegt er da, an seinen Rändern beeindruckende Bergformationen. Der Adamello, der in südwestlicher Richtung liegt, ist von hier aus noch nicht zu sehen, dafür aber der Corno Bianco (3434 m), dessen südlich gelegene Felswände man ansteuert, um dann unter diesen über gemütliche Stufen hinaufzumarschieren.
Dann kann man auch schon den Adamello sehen, der sich von dieser Seite recht zahm im Unterschied zu seiner rassigen Nordseite präsentiert. Von Süden her geht es auf dem breiten Rücken des Berges Richtung Gipfel: Erst auf diesen letzten rund 200 Höhenmetern wird es steiler, aber nie wirklich anstrengend. Und dann steht man endlich am Gipfel mit einer Glocke und einem Ausblick, der seinesgleichen sucht.
Abgefahren sind wir an diesem Tag auf der Aufstiegsspur, die zweite Nacht haben wir in der Lobbia Alta verbracht. Chiara, die das Essen servierte, spricht ein wenig Deutsch: Sie erzählte, dass auf der Hütte u.a. schon Papst Johannes Paul II. zu Gast war. Dass dieser ein eigenes Zimmer zugewiesen bekam, in dem ein Gebetsstuhl steht, hat uns hingegen ein Stubaier Bergführer berichtet, den wir am Abend zuvor getroffen haben.
Am nächsten Tag sind wir dann von der Hütte wieder hinab in das weite Gletscherbecken gefahren. Dann wurden die Skier aufgefellt und es ging den Gletscher querend Richtung Nordwesten zum Passo Venezia (3225). Oben angekommen wartete eine traumhafte, lange Abfahrt. Rund 1900 Höhenmeter ging es in absolut beeindruckender Szenerie über anfänglich vergletschertes Gebiet hinab, nur auf den letzten Metern mussten die Skier auf einem Forstweg getragen werden. Dieser mündete schließlich in eine Skipiste, die wir hinabfuhren und schließlich bei einem Sessellift im Val Narcanello landeten.
Mit diesem fuhren wir den Berg hinauf und mit den Skiern hinab nach Pontedilegno. Von dort ging es schließlich mit einer Gondelbahn wieder auf den Tonalepass zurück.
Infos zur Tour
Ausgangspunkt: Über die Brennerautobahn bis unterhalb von Bozen, Ausfahrt Mezzocorona, dann über Mezzolombardo und Cles zum Tonalepass (1882 m). Dort am Parkplatz der Presenabahn kostenfreie Parkmöglichkeit, das Ticket für die Benützung aller Bahnen kostet 16 Euro (carta alpinistica).
Monte Adamello (3554 Meter): Der Aufstieg ist kein Problem, der Gletscher präsentiert sich zumeist ziemlich flach. Von der Madronehütte (Tel. 0465/501193) aus in gemütlichem Tempo in rund fünf Stunden zum Gipfel (1100 Höhenmeter), von der Hütte Lobbia-Alta aus (Tel. 0465/502615) sind es ca. 3,5 Stunden. Gletscherausrüstung erforderlich!
Wissenswertes: Im Bereich der zwei erwähnten Hütten, die noch bis Anfang Mai geöffnet haben, gibt es viele Skitourenvarianten (Venezia, Corno Bianco, Corno di Cavento). In dieser Gegend verlief auch die Erste-Weltkrieg-Gebirgsfront, was man noch nach 100 Jahren sehen kann: Am Cresta Croce, den wir von der Lobbia-Alta-Hütte aus nach rund eineinhalbstündigem Aufstieg erreicht haben, bietet u.a. eine Kanone aus dem Jahr 1888 ein schaurig-schönes Fotomotiv.