Ostern war ein früher Valentinstag
Bräuche sind immer beweglich. Manche halten sich lange, andere kommen aus der Mode, manche werden wiederbelebt.
Von A. Plank und S. Strobl
Innsbruck –Das Osterziehen hat in Rum eine lange Tradition. Vor zwei Jahren „verzahrten“ die Burschen die Türe eines ortsbekannten Plumpsklos und brachten sie auf den Platz vor der Kirche. Der betroffene Landwirt fand, dass das zu weit ginge, und kündigte an, sich künftig auf die Lauer zu legen.
Ostern 2014 fanden sich wieder einige Burschen zwischen 16 und 25 Jahren in einem Gasthaus zusammen, um einen Schlachtplan für das Osterziehen zu entwerfen. „Sie haben sich verhockt und am nächsten Tag waren keine Gegenstände auf dem Kirchplatz“, erzählt Christian Lechner, Brauchtums-Multifunktionär, lachend.
Da sei es aber erst richtig losgegangen: „Die alteingesessenen Rumer haben total geschimpft, dass die Jungen jetzt sogar zu faul sind, einen alten Brauch fortzuführen“, erzählt er. Anzunehmen, dass diesen Ostermontag wieder jede Menge Krempel am Rumer Kirchplatz stehen wird. Die Ethnologin Petra Streng erklärt, dass das Osterziehen ursprünglich die soziale Kontrolle in einem Dorf im Fokus hatte. Schlampige Hausbesitzer sollten öffentlich gemaßregelt werden.
Es liege in der Natur der Sache, dass vorzugsweise mit jenen Schabernack getrieben werde, bei denen man davon ausgehen könne, dass es sie stört. „Viele Leute räumen heute ihre Sachen sauber auf. Es ist sicher nicht im Sinne des Brauchtums, wenn etwa Hausbänke, die ständig da stehen, verzahrt werden“, sagt Streng. Die Trennlinie zwischen gelebtem Brauchtum und Sachbeschädigung sei oft schmal. In Inzing wurde der Tück-Montag aufgrund von Auswüchsen vor einigen Jahren per Gemeinderatsbeschluss verboten (siehe Kasten). Laut Streng gebe es immer wieder Anzeigen bezüglich fehlinterpretierten Brauchtums. Bräuche seien aber nicht etwas, was für alle Zeiten in Stein gemeißelt ist. „Wir stellen in den letzten Jahren die Tendenz fest, dass es zu Ostern so wie zu Weihnachten üblich ist, sich gegenseitig zu beschenken. Bis vor Kurzem war das auf die Kinder beschränkt.“
Dabei ist das Beschenken von Erwachsenen eine alte Ostertradition. „Ostern war ein früher Valentinstag. Die Liebespaare haben sich gegenseitig beschenkt“, weiß Streng. Während die Fasnachtsbräuche in Tirol ja recht rau und gegen die Obrigkeit, insbesondere die Kirche, gerichtet waren, sind die meisten Tiroler Bräuche und so auch die Osterbräuche in direktem Zusammenhang mit dem Glauben zu sehen, sagt Volkskundler Gunter Bakay. „Viele von ihnen haben sich in der Barockzeit entwickelt.“ Nach „verlotterten“ Zuständen bemühten sich die Jesuiten, den Menschen den Katholizismus wieder nahezubringen. Als Beispiel für einen schönen Brauch nennt Bakay die Heiligen Gräber zu Ostern. „Mit Aufwand wird die ganze Kirche geschmückt. Man kann die Mystik im Kerzenlicht auf sich wirken lassen und sich besinnen.“
In einigen Gemeinden wie in Patsch und Imsterberg wird die Auferstehung Christi besonders spannend veranschaulicht. Das Heilige Grab in Imsterberg, das den Altar verdeckt, ist der erste Ort des Geschehens. Ein auf eine Holztafel gemalter Leichnam Christi wird umgelegt und befindet sich somit nicht mehr im Grab. Zugleich wird eine weitere bemalte Holztafel in eine Nische hinaufgezogen. Christus ist „auferstanden“. Die Einrichtungen sind seit über 150 Jahren im Einsatz.
Das größte Fest der Katholiken wird nach wie vor mit Osterschinken und Eierpecken gefeiert, wenn auch immer öfter beim „Brunch“. Übrigens hatte der Osterhase einst Konkurrenz von Fuchs und Hahn. Erst im 19. Jahrhundert hat sich der Hase als Eierbringer durchgesetzt.
Osterbräuche
Speisenweihe. Sie gehört zum Osterfest wie die Freude über die Auferstehung. In jüngster Zeit boomt dieser alte religiöse Brauch. Geweiht wurden früher Speisen, auf die man in der Fastenzeit verzichten musste, wie etwa Eier. Diese wurden gekocht und gefärbt, um sie von frischen Eiern zu unterscheiden.
Gotlpack. Traditionell bekommen die Kinder zwei Mal im Jahr einen Gotlpack von ihren Paten: zu Ostern und zu Allerheiligen. In den vergangenen Jahren profitierte auch zunehmend die Wirtschaft von diesem Brauch. Der Handel verdient am Gotlpack mehr als zu Halloween, ein importierter Brauch, der wieder abflaut.
Osterziehen. Es wird noch in wenigen Gemeinden praktiziert. Dabei handelt es sich um einen alten „Rügebrauch“, der etwa noch in Absam, Rum und Kematen gelebt wird. Nicht aufgeräumte Gegenstände wurden auf den Dorfplatz gebracht. Bauern wurden so darauf hingewiesen, das Haus sauber zu machen. Zu einiger Berühmtheit brachten es die Inzinger, die die Nacht auf Ostermontag zum „Tück-Montag“ erklärten. Weder Fahrräder noch Einkaufswagen waren vor den Burschen sicher (siehe Bild). Das Brauchtum entwickelte sich aber zum Vandalismus, so Gemeindeamtsleiter Josef Draxl (Kanaldeckel wurden entfernt). Seit 2011 ist der „Tück-Montag“ per Gemeinderatsbeschluss verboten.