Lawinendrama: Weiter Bangen um das Leben des jungen Tirolers
Bei einem Lawinenunglück in den französischen Alpen sind am Mittwoch drei Bergsportler der ÖAV-Gruppe „Junge Alpinisten“ getötet worden. Der schwerverletzte Tiroler befindet sich noch immer in „kritischem Zustand“. Die beiden Bergführer, die vorübergehend festgenommen worden waren, befinden sich wieder auf freiem Fuß.
Grenoble - Die sieben unversehrt Überlebenden des Lawinenunglücks in den französischen Alpen werden am Freitag die Heimreise nach Österreich antreten. Das teilte der Österreichische Alpenverein (ÖAV) am Donnerstagabend in einer Aussendung mit. Unterdessen sind die beiden Bergführer - ein Tiroler und ein Steirer - nach den Einvernahmen durch die französischen Ermittler wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ermittelt wurde wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.
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„Das Schlimmste, was passieren kann“: http://go.tt.com/1BUs0EC
Die plausibelste Hypothese für das Unglück sei nach bisherigen Erkenntnissen, dass starker Wind ein Schneebett losgelöst hat, das die Skifahrer unter sich begrub. Der Staatsanwaltschaft zufolge war am Mittwoch in den gesamten französischen Hochalpen wegen starker Windböen vor Lawinen gewarnt worden.
ÖAV-Präsident: Ermittlungen sind Standard
ÖAV-Präsident Andreas Ermacora sagte, dass die beiden Freitag früh zu einer weiteren Einvernahme bei der französischen Polizei erscheinen müssen, danach aber wohl mit den anderen Überlebenden nach Österreich zurückkehren können. Die Ermittlungen der französischen Polizei nach einem so tragischen Unglück seien Teil einer Standardüberprüfung, wie sie auch in Österreich bei Unfällen mit Todesfolge ablaufen würde, betonte der ÖAV. Im Rahmen der Einvernahmen werde unter anderem überprüft, ob die beiden Bergführer als solche tätig sein durften.
„Die beiden Bergführer waren im Auftrag des ÖAV unterwegs und sind geprüfte Bergführer nach dem Bergführergesetz. Dies berechtigt sie auch, in allen Mitgliedsländern des internationalen Bergführerverbandes, darunter auch Frankreich, uneingeschränkt als Bergführer tätig zu sein. Diesbezügliche Bestätigungen des nationalen und internationalen Verbandes liegen vor“, sagte Ermacora.
Tiroler im Koma
Die ÖAV-Expedition war am Mittwoch im Ecrins-Massiv in eine Lawine geraten. Drei Alpinisten aus Wien, Salzburg und Südtirol im Alter zwischen 20 und 25 Jahren kamen dabei ums Leben. Ein Tiroler wurde schwer verletzt in die Klinik nach Grenoble gebracht. Er liegt laut Staatsanwaltschaft im Koma. Sein Zustand sei „sehr kritisch“.
Ein ÖAV-Notfall-Team, das noch in der vergangenen Nacht nach Frankreich entsandt wurde, kümmert sich vor Ort um die notwendigen Schritte. Die Helfer sind in ständigem Kontakt mit dem Krankenhaus in Grenoble. „Die Alpenvereinsfamilie bangt weiter um den Tiroler“, heißt es in einer Aussendung.
Alpinisten im Alter zwischen 20 und 25 Jahren
Sieben Mitglieder der elfköpfigen Gruppe kamen bei dem Lawinenabgang im Ecrins-Massiv mit dem Schrecken davon. Die Überlebenden verbrachten die Nacht auf einer Schutzhütte und wurden am Donnerstagvormittag mit dem Rettungshubschrauber ausgeflogen. Unter den Überlebenden sind drei weitere Tiroler. Die Gruppe umfasste insgesamt neun junge Alpinisten im Alter zwischen 20 und 25 Jahren sowie zwei staatlich geprüfte Bergführer aus Österreich. Im Zuge der mehrtägigen Tour sei laut Alpenverein geplant gewesen, das Ecrins-Massiv zu durchqueren. Die Gruppe war seit vergangenem Samstag unterwegs und hätte die Tour nach zwei weiteren Tagen abschließen sollen.
Das Unglück ereignete sich am Mittwoch gegen 14.30 Uhr auf ca. 3.350 Metern Höhe nahe der Ecrins-Hütte am Col Emile Pic. An diesem Tag herrschte in der Region über 2.000 Meter Lawinenwarnstufe 3. Die gesamte Gruppe wurde von einem 80 Meter breiten und 250 Meter langen Schneebrett erfasst und großteils total verschüttet. Teilweise konnten sich die Verunglückten selbst befreien und mit Hilfe nachkommender Alpinisten die weiteren Verschütteten bergen. Für drei Teilnehmer kam jede Hilfe zu spät, sie verstarben noch an der Unfallstelle.
Wie der Alpenverein auf der Homepage beschreibt, werden im Team „Junge Alpinisten“ jeweils zwei Jahre lang 18 junge Bergsteiger von erfahrenen Alpinisten als Mentoren begleitet. Sie sind mit dem Team u.a. beim Alpinklettern, auf Hochtouren oder beim Eisklettern unterwegs. Im zweiten Jahr wird gemeinsam ein „größeres“ Projekt geplant. Zudem finden Ausbildungen zu verschiedenen Themen statt. Diese Woche eben der Kurs in Frankreich.
Alpenverein „fassungslos“
Nach dem Lawinenunglück zeigte sich der Österreichische Alpenverein tief betroffen. „Das Schlimmste ist eingetreten, was passieren kann. Dass bergbegeisterte Menschen unter unserer Führung zu Tode gekommen sind, macht uns alle fassungslos“, sagte Alpenvereinspräsident Andreas Ermacora am Donnerstagvormittag auf einer Pressekonferenz in Innsbruck. „Das Mitgefühl der Alpenvereinsfamilie gilt in diesen schweren Stunden den Angehörigen der Opfer“, so Ermacora
Noch in der Nacht hatte der Alpenverein ein Experten-Team, darunter mehrere Bergführer und ein Notfallpsychologe, nach Frankreich geschickt. Sie sollen die Teilnehmer notfallpsychologisch betreuen und die Aufklärungsarbeit vor Ort unterstützen. Den Angehörigen der Verunglückten sagte der Alpenverein „jede Unterstützung“ zu und half ihnen dabei, nach Frankreich zu kommen.
Experte: Alpinisten gingen „übliche Skitour“
Die Tour in den französischen Alpen sei eine „übliche Skitour“ gewesen. Diese sei in den Westalpen sehr beliebt, erklärte Georg Rothwangl vom Touren-Informationssystem des Alpenvereins. „Es ist eine schöne Frühjahrsroute, klassisch zu Ostern“, meinte Rothwangl.
Jedenfalls habe es sich um „nichts Extremes“ gehandelt, auch wenn in diesem Gebiet alles ein wenig „höher und steiler“ sei. Die Gruppe sei nach seinen Informationen in den Tagen zuvor „von Hütte zu Hütte gegangen“ und hätte dabei auch ein paar Gipfel bestiegen.
Am Mittwoch seien sie ebenfalls von einer Hütte gestartet und hätten in weiterer Folge zu Fuß eine Scharte bzw. ein Joch überschritten. Anschließend, als die Bergsportler wieder ihre Skiausrüstung anlegen wollten, passierte das Unglück. „In dieser Gegend kann man bei Touren generell die Hütten gut mit den Jöchern verknüpfen. Den größten Teil der Tour haben sie jedenfalls an diesem Tag bereits geschafft“, sagte der Experte. Die Gruppe hätte vermutlich noch rund eine halbe Stunde Abfahrt bis zur Ecrins-Hütte vor sich gehabt.
Die Lawinenwarnstufe „3“ werde in diesem Gebiet jedenfalls in den meisten Fällen ausgegeben und sei „nichts Ungewöhnliches“. „Man kann nicht sagen, dass die Lawinensituation kritisch oder wild war“, betonte Rothwangl. Die Warnstufe „3“ habe aber eine große Bandbreite - von einem „entspannten 3er“, der eher in Richtung Lawinenwarnstufe „2“ tendiere bis hin zu einem „angespannten 3er“, der Warnstufe „4“ näher sei, gab der ÖAV-Experte zu bedenken. Man müsse aber zuerst die näheren Untersuchungen abwarten, um dies abschließend beurteilen zu können. (TT.com, APA)