„Eine Naturgewalt“: Filmemacher De Oliveira 106-jährig verstorben
Lissabon (APA/dpa/AFP) - Manoel de Oliveira ist tot. Der portugiesische Regisseur ist am Donnerstag im Alter von 106 Jahren verstorben, wie ...
Lissabon (APA/dpa/AFP) - Manoel de Oliveira ist tot. Der portugiesische Regisseur ist am Donnerstag im Alter von 106 Jahren verstorben, wie sein Produzent Luis Urbano der AFP unter Berufung auf die Familie mitteilte. Nach Informationen der Online-Zeitung „jn.pt“ erlag er einem Herzversagen. De Oliveira galt als ältester aktiver Filmemacher der Welt und gestaltete erst vergangenen Herbst den Trailer der 52. Viennale.
„Ein reines Bild der vergehenden Zeit, des verrinnenden Lebens, der Gegenwart und des Unwiederbringlichen zugleich“ nannte Viennale-Direktor Hans Hurch de Oliveiras einminütige Einstellung „Chafariz das Virtudes“ (Brunnen der Tugenden), die während der Arbeit an seinem in Venedig uraufgeführten, 20-minütigen Film „O velho do restelo“ (Der Alte von Restelo) entstanden war und einen wasserspeienden Brunnen zeigte. Der seit vielen Jahren vertrocknete, barocke Wandbrunnen in de Oliveiras Heimatstadt Porto war extra für den Künstler reaktiviert worden.
Die Hafenstadt im Norden Portugals, in der de Oliveira als Sohn einer reichen Familie am 11. Dezember 1908 geboren wurde, war bis zuletzt zentraler Bezugspunkt des Künstlers. Hier drehte er 1930 seinen ersten Film „Harte Arbeit am Fluss Douro“, eine Stummfilm-Dokumentation über die Ufer des Douro. Es sollten mehr als 50 Spiel- und Dokumentarfilme folgen, die meisten davon nach seinem 60. Geburtstag, ab 1990 mindestens ein Werk pro Jahr. Dabei führte der einstige Sportler, Autorennfahrer und Portweinwinzer nicht nur Regie, sondern zeichnete fast immer auch für Drehbuch, Schnitt und Produktion verantwortlich.
Stars wie Catherine Deneuve oder Marcello Mastroianni standen für den Altmeister vor der Kamera. „Seine Energie ist unglaublich, morgens vor Drehbeginn ist er jeden Tag Schwimmen gegangen“, staunte die italienische Filmdiva Claudia Cardinale, die in „Gebo und der Schatten“ (2012) neben Michael Lonsdale und Jeanne Moreau eine der Hauptrollen spielte. Bis zuletzt sprühte de Oliveira nur so vor Arbeitswut, Lebensfreude und Kampfwillen. Er legte sich mit den Mächtigen an, kritisierte auch die Sparpolitik der Regierung in Lissabon und legte in jüngsten Werken den Finger in die Wunde der Krise in seiner rapide verarmenden Heimat.
Für sein Lebenswerk erhielt der Filmpoet 2004 in Venedig den „Goldenen Löwen“ und 2007 den Ehrenpreis der Europäischen Filmakademie. Insgesamt erhielt er über 50 Auszeichnungen, zuletzt wurde er zu seinem 106. Geburtstag für seine „außergewöhnliche Karriere“ mit dem höchsten französischen Orden, dem Grand Officier de la Legion d‘Honneur, geehrt.
Viele Kenner stellen de Oliveira auf eine Stufe mit Film-Granden wie Luis Bunuel, Jean-Luc Godard oder Federico Fellini. Wim Wenders, der de Oliveira in seinem Film „Lisbon Story“ (1994) auftreten ließ, bezeichnete den Portugiesen einmal als „größtes Vorbild“. „Er ist eine Naturgewalt“, sagte Hollywoodstar John Malkovich.
Erst im vergangenen November erklärte de Oliveira in einem seiner sehr seltenen Interviews, er habe „natürlich“ noch Pläne für neue Filme. „O velho do restelo“ wird nun sein letzter bleiben. In dem Kurzfilm ließ er portugiesische Literatur-Ikonen wie Luis de Camoes, Teixeira de Pascoaes und Camilo Castelo Branco wiederauferstehen und bei einem Treffen mit Don Quijote über Gott und die Welt sinnieren. Es ist ein denkbar guter Schlusspunkt für eine umfassende Filmografie, ist der Film doch nicht weniger als „eine Reflexion über die Menschheit“, wie der Regisseur selbst sagte.