Widerstand: Deutscher Theologe Bonhoeffer vor 70 Jahren ermordet

Berlin (APA/dpa) - Historisch ist der Widerstand in Deutschland gegen Hitler gescheitert, moralisch hat er gesiegt. Dafür steht auch das Leb...

Berlin (APA/dpa) - Historisch ist der Widerstand in Deutschland gegen Hitler gescheitert, moralisch hat er gesiegt. Dafür steht auch das Leben des deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Sein Vermächtnis ist bis heute aktuell.

Als der Tod kam, war Dietrich Bonhoeffer vorbereitet. „Das ist das Ende - für mich der Anfang“, sagte er einem britischen Mitgefangenen. Am 9. April 1945 wurde der Theologe und Widerstandskämpfer im Konzentrationslager Flossenbürg im Oberpfälzer Wald hingerichtet. Auch wenn das Deutsche Reich schon in Trümmern lag, der Zweite Weltkrieg nur noch einen Monat dauern sollte, nahm Adolf Hitler noch Rache an seinen entschiedensten Gegnern.

Mit Bonhoeffer wurden in Flossenbürg der ehemalige Abwehrchef Admiral Wilhelm Canaris, der Generalmajor Hans Oster und drei weitere Gefangene gehenkt. Weitere Widerständler, auch sein Bruder Klaus Bonhoeffer, wurden in anderen Lagern oder in Berlin ermordet.

70 Jahre nach Dietrich Bonhoeffers Tod tragen in Deutschland Dutzende Kirchengemeinden, Schulen oder Straßen seinen Namen. Sein Lebensweg vom evangelischen Pastor zum Verschwörer gegen Hitler ist Allgemeingut. In Silvester- oder Neujahrsgottesdiensten erklingt das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Bonhoeffer schrieb die zuversichtlichen Worte Ende 1944 als Gefangener der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße.

Trotz der sieben Jahrzehnte Abstand hält Pfarrer Christian Löhr aus Brandenburg Bonhoeffer für unverändert modern. „Sein Einsatz für den Frieden, sein Plädoyer für ein verantwortliches Leben, sein Engagement im Widerstand, sein Eintreten für die Juden - dies alles sind aktuelle Bewährungsfelder“, sagte der Vize-Vorsitzende der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft der Deutschen Presse-Agentur.

Im Gedenkjahr erinnern viele Veranstaltungen an Dietrich Bonhoeffer, der 1906 in Breslau (heute Wroclaw in Polen) in eine großbürgerliche Arztfamilie geboren wurde. Als Hitler 1933 an die Macht kam, musste der Pastor erleben, wie Amtsbrüder jüdischer Herkunft aus der Kirche verdrängt wurden.

„Der Staat, der die christliche Verkündigung gefährdet, verneint sich selbst“, erklärte er. Im Widerstand gegen die Nazi-treuen Deutschen Christen entstand 1934 die Bekennende Kirche. Nach zwei Jahren als Auslandspfarrer in London bildete Bonhoeffer von 1935 bis 1940 Pastoren der Bekennenden Kirche aus - erst offen, dann im Untergrund.

Ab 1941 arbeitete er zur Tarnung im Wehrmachtsgeheimdienst, der Abwehr, geleitet von dem Hitler-Gegner Canaris. Über seine kirchlichen Auslandskontakte versuchte Bonhoeffer die Alliierten wissen zu lassen, dass in Nazi-Deutschland eine Gruppe von Offizieren und Politikern das Regime stürzen wollte. Nach innen war er für diese Männer, die sich zum Tyrannenmord entschlossen, Seelsorger und Berater. Er schrieb: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.“

Bonhoeffer wurde verhaftet, nachdem 1943 zwei Attentatsversuche der Gruppe um Generalmajor Oster gescheitert waren. Doch erst nach dem fehlgeschlagenen Attentat vom 20. Juli 1944 gelang es der Gestapo, die ganze verzweigte Verschwörung aufzudecken.

Historisch gesehen hatte der Widerstand keinen Erfolg. Und doch war es nötig, „durch eine große verneinende Geste Widerspruch einzulegen gegen Hitler und alles, was er und seine Herrschaft bedeuteten“, wie Joachim Fest 1994 in dem Buch „Staatsstreich“ bilanzierte.

In Haft schrieb Bonhoeffer weiter: Briefe, Gedichte, theologische Überlegungen. Aus den geschmuggelten Kassibern stellte sein Schüler, Freund und Biograf Eberhard Bethge 1951 das wohl bekannteste Bonhoeffer-Buch „Widerstand und Ergebung“ zusammen.

Dieser fragmentarische Ausblick auf Kirche und Christsein in der Welt beschäftigt Theologen bis heute. So greift die Züricher Professorin Christiane Tietz Bonhoeffers rätselhaftes Wort vom „religionslosen Christentum“ auf: Das Christentum sei fähig zur Kritik an sich selbst, an Religion. Tietz, Vorsitzende der Bonhoeffer-Gesellschaft, nennt das hochaktuell angesichts der Angriffe religiöser Fundamentalisten auf die moderne Welt.