Test

Der Amerikaner für das Auge

Einen stattlichen Auftritt pflegt der ATS, den Cadillac in Österreich ab 42.100 Euro anbietet. Im vergangenen Jahr verkaufte die GM-Tochtermarke weltweit 263.697 Fahrzeuge.
© Höscheler

In der gehobenen Mittelklasse aufzufallen, ist ein seltenes Kunststück, das dem ATS von Cadillac auf Anhieb gelingt: kultiviertes Auftreten, sportliches Antreten, kantiges Abtreten.

Von Markus Höscheler

Schönwies –Mit Liebhaberei hat das wenig zu tun, was General Motors in den nächsten fünf Jahren vorhat: Der US-Autohersteller beabsichtigt, etwa elf Milliarden Euro in die Edelmarke Cadillac zu investieren, um sie besser gegen das Premium-Trio aus Deutschland – Audi, BMW und Mercedes – sowie das Premium-Trio aus Japan – Lexus, Infiniti und Acura – aufzustellen. Was die Präsenz in Österreich betrifft, besteht für Cadillac reichlich Entfaltungsspielraum: Offiziell vertritt lediglich ein Händler (in Wien) das Label, in der Schweiz sind es neun, in Deutschland elf.

Dabei wird es nicht bleiben, versichert die Europa-Zentrale in Zürich. Cadillac sucht geeignete Partner, geeignete Produkte hat die GM-Tochter ganz offensichtlich: Der getestete ATS steckt voller verblüffender Überraschungen, besonders für jene, die häufig mit der Konkurrenz unterwegs sind. Am auffälligsten ist klarerweise das gewählte Design. Rundungen sind nicht die Stärke des ATS, Kanten und Ecken dagegen schon. Als prägende Beispiele dienen die schlanken Front- und Heckleuchten, die nicht viel mehr als bloße Linien darstellen. Der Heckabschluss ist ähnlich knackig ausgefallen, lediglich die Dachlinie darf einen Coupé-Schwung riskieren – hier kommen die Amerikaner nicht am anhaltenden Trend vorbei, Limousinen hinten anzuschneiden.

Wer nun annimmt, Cadillac beließe es beim optischen Blendwerk, geht fehl: Die Überraschungen stecken im Innenraum und unter der Motorhaube. Vor allem die Multimedia-Einrichtung CUE (Cadillac User Experience) hat es uns angetan, mit dem großzügig ausgefallenen, mittig angebrachten Acht-Zoll-Touchscreen mit quadratischen Abmessungen, hoher Auflösung und interessanter Menüführung. Die Anbindung ans Smartphone via Bluetooth glückt auf Anhieb, das Ergebnis kann sich stundenlang hören lassen, vor allem dank der Bose-Soundanlage inklusive zehn Lautsprechern. Gleichermaßen erfreulich: Die Sprachbedienung, möglich beispielsweise für die Bedienung des Navigationssystems, überzeugt recht rasch – lediglich die Routenführung selbst mochte sich nicht immer unseren Vorstellungen unterordnen.

Anders dagegen operierte der Zweiliter-Vierzylinder-Benzinmotor, der dank Turboaufladung 276 PS entfesselt und 400 Newtonmeter Drehmoment frühzeitig sowie anhaltend bereitstellt. Mit dem 1,6-Tonner hat das Aggregat in der Konsequenz ein leichtes Spiel, nicht einmal das Allradsystem macht ihm zu schaffen. Nur wer die Datenblätter vergleicht, mag Unterschiede zwischen dem (für uns fiktiven) Hecktriebler und dem (für uns realen) Allradler erkennen. Der Testwagen beschleunigt somit in 6,1 Sekunden von null auf 100 km/h, die Hinterradvariante wäre zwei Zehntelsekunden schneller. Außerdem käme dieses Modell in den Genuss des Höchsttempos von 240 km/h, während die 4WD-Variante dem Luftwiderstand zehn km/h weniger abknöpfen kann. Treffsicher und harmonisch kooperiert das emsige Triebwerk mit der Sechsstufenautomatik, die Laufkultur ist vorzüglich, seine Vierzylinder-Manieren sind vernehmbar. Der Verbrauch, 8,5 Liter je 100 km/h, erschreckt höchstens eingefleischte Dieselfanatiker, Benzinfreunde atmen dagegen auf.

Mit Bedacht geht der ATS also mit dem Treibstoff um, Bedachtnahme ist erforderlich bei dem, der den Kofferraum ausfüllen will: Lediglich 381 Liter Volumen stehen im Angebot – für ein 4,64 Meter langes Fahrzeug ein niedriger Wert. Weniger beengt geht es in der Reihe zwei zu, auch wenn sich die Dachlinie allzu großen Erwachsenen stark annähert und die Kniefreiheit möglicherweise mit dem Vordermann/der Vorderfrau ausdiskutiert werden muss.

Wenig Gesprächsbedarf ist erforderlich, was die Großzügigkeit der Ausstattung anbelangt. Die höchste Ebene, Premium genannt, brilliert mit CUE, Lederbestuhlung, hochwertigem Head-up-Display und reichlichem Fahrerassistenzangebot, ein kleiner Teil davon ist einem Aufpreis geschuldet. Die Lenkung überzeugt mit Direktheit und Präzision, das Fahrwerk ist eher der strafferen Seite zugeneigt, der automatische Allradantrieb garantiert höchste Traktion bei schnell gefahrenen Kurven. Für diesen nicht nur das Auge erfreuenden Premium-Reigen sind wenigstens 56.900 Euro aufzubringen, als Basis-Hecktriebler wären es 42.100 Euro.