Frankreich

Lawinentragödie in Frankreich: „Das Schlimmste, was passieren kann“

Bergretter holten den schwer verletzten Tiroler am späten Mittwochnachmittag vom Lawinenkegel und flogen ihn nach Grenoble.
© AFP

Betroffenheit und Trauer nach dem tödlichen Lawinenabgang in Frankreich, bei dem am Mittwoch drei Alpenvereinsmitglieder starben. Ein Tiroler liegt im Koma, die anderen Überlebenden kehren heute zurück.

Innsbruck, Grenoble – Noch in die Skibindungen steigen, durch die Rinne abfahren, knapp eine halbe Stunde noch bis zur Hütte – ausrasten, gemütlich zusammensitzen. So wie es eine andere Alpinistengruppe Minuten zuvor auch gemacht hat. Doch es kam anders. Die Durchquerung des Écrins-Massivs in den französischen Alpen endete für die „Jungen Alpinisten“ des Oesterreichischen Alpenvereins in einer Katastrophe. Drei junge Bergsteiger (aus Wien, Salzburg und Südtirol) sterben unter einer Lawine, die sich direkt an jener Stelle löste, wo die Gruppe ihre Skier anschnallte. Ein junger Tiroler kämpft seit Mittwochabend im Krankenhaus von Grenoble um sein Leben. Sein Zustand wurde gestern als „sehr kritisch“ beschrieben.

Mit Tränenerstickter Stimme rang Alpenvereinspräsident Andreas Ermacora gestern um Fassung. Sprach von einer „Katastrophe, dem Schlimmsten, was einem alpinen Verein passieren könnte“. Gerade weil junge Menschen (alle zwischen 20 und 25 Jahre alt) ihr Leben lassen mussten, die sich für das Projekt der „Jungen Alpinisten“ extra beworben hatten, um sich selbst als schon erfahrene Bergsportler unter der Anleitung von Mentoren den Feinschliff zu holen.

Alle neun Teilnehmer und die zwei gestern in Frankreich vorübergehend festgenommenen Bergführer wurden von dem 80 Meter breiten und 250 Meter langen Schneebrett verschüttet. Die meisten Teilnehmer konnten sich selbst befreien oder wurden von Kameraden bzw. anderen Alpinisten unverletzt befreit. „Alle waren perfekt ausgerüstet“, hieß es vonseiten des Alpenvereins. Während der Schwerverletzte in die Klinik geflogen wurde, musste die restliche Gruppe die Nacht auf einer Écrins-Hütte verbringen. Der Kontakt zur Außenwelt war kaum möglich, Handys funktionierten nicht. Bange Stunden für die Angehörigen der insgesamt sechs Tiroler Teilnehmer. Auch für die Lermooser Bürgermeisterin Maria Zwölfer.

Zwölfers Sohn Michael hatte an der Exkursion teilgenommen. „Ich habe überlebt, mein Freund auch“, teilte er ihr kurz mit, schildert Zwölfer. Dann banges Warten, weil es keinen Telefontakt gab. „Vergeblich versuchten wir, durchzukommen.“

Am vergangenen Samstag war die Gruppe in Innsbruck aufgebrochen. Maria Zwölfer kann es gar nicht fassen, welches Glück ihr Sohn gehabt hat. „Er hat sich selbst ausgraben können.“ Mit ihm konnte sich auch dessen Freund aus Ehrwald aus den Schneemassen befreien.

Die Nacht verbrachten die Überlebenden dann auf der Schutzhütte, am Donnerstagvormittag wurde die Gruppe mit zwei Hubschraubern ins Tal geflogen – und sofort von der Polizei einvernommen. Zum Unfallzeitpunkt sei die Wettersituation gut gewesen. Windig. Relativ mild. Über 2000 Metern herrschte Lawinenwarnstufe 3. „Sicher grundsätzlich vertretbare Verhältnisse“, wie Robert Renzler vom Alpenverein erklärte. So waren zumindest die Informationen, die nach Innsbruck durchdrangen. Der Alpenverein hatte noch am späten Mittwochabend ein Team nach Frankreich entsandt, um die Teilnehmer notfallpsychologisch zu betreuen und die Arbeit vor Ort zu unterstützen. Die Eltern der Opfer wurden von einem Notfallpsychologen und Präsident Ermacora über das Unglück in Kenntnis gesetzt. „Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Dass bergbegeisterte Menschen unter unserer Führung zu Tode gekommen sind, macht uns fassungslos“, sagte der Präsident mit Tränen in den Augen.

Das Projekt der „Jungen Alpinisten“ wurde vor wenigen Monaten mit insgesamt zwölf Teilnehmern ins Leben gerufen. Die Gruppen trafen sich zuletzt regelmäßig und absolvierten in unterschiedlicher Besetzung diverse Kurse – zuletzt auch einen Lawinenkurs. Geplant war, dass der Kurs, der am Samstag begann, bis heute andauern sollte.

Die Tour selbst sei speziell im Frühjahr sehr beliebt, erklärten Experten. In diesem Gebiet sei alles ein wenig höher und steiler. Doch die Schneebeschaffenheit an der Abbruchstelle wurde als pickelhart beschrieben. „Solche Schneebretter sind schwer vorherzusehen“, sagte Renzler.

Nur kurz hatte Maria Zwölfer am Donnerstag SMS-Kontakt mit ihrem Michael. „Es ist einfach eine Tragödie, was hier passiert ist. Noch am Dienstag hat er mir erzählt, wie lustig sie es auch haben.“ Jetzt herrschen nur noch Trauer und Betroffenheit. (mw, pn)