Atomgespräche - In Israel herrscht Misstrauen
Jerusalem (APA/AFP) - In Israel wird das in Lausanne vereinbarte Rahmenabkommen zum iranischen Atomprogramm voller Misstrauen kommentiert. „...
Jerusalem (APA/AFP) - In Israel wird das in Lausanne vereinbarte Rahmenabkommen zum iranischen Atomprogramm voller Misstrauen kommentiert. „Eine Vereinbarung, die auf diesem Rahmen aufbaut, gefährdet das Überleben Israels“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, als er in der Nacht, wenige Stunden nach der Nachricht über die Einigung in Lausanne, mit US-Präsident Barack Obama telefonierte.
„Diese Vereinbarung würde Irans Atomprogramm legitimieren, seine Wirtschaftskraft stärken sowie seine aggressiven und terroristischen Aktivitäten in der Region und darüber hinaus vermehren“, schilderte Netanyahu dem US-Präsidenten seine Sorgen. „Wir müssen stattdessen den Druck auf den Iran erhöhen, bis ein besseres Abkommen erreicht ist.“
Schon wird von ranghohen Verantwortlichen in Jerusalem die militärische Option ins Spiel gebracht. Geheimdienstminister Juval Steinitz, auch für das Iran-Dossier zuständig, schloss Militärschläge gegen iranische Atomanlagen nicht aus: „Wenn wir keine Wahl haben, haben wir eben keine Wahl - die militärische Option liegt jedenfalls auf dem Tisch“, sagte er am Donnerstag in einem Radiointerview. Dies sei wie 1981 bei israelischen Luftangriffen auf die irakische Atomanlage Osirak auch im Alleingang möglich. „Diese Operation wurde auch nicht mit Zustimmung der Vereinigten Staaten unternommen.“
Joel Gusansky, früherer Chef der Iran-Abteilung im Nationalen Sicherheitsrat, und Jossi Kuperwasser, bis Dezember Ministerialdirektor unter Steinitz, betonen im Gespräch mit AFP beide, dass Israel nicht an die in Lausanne erzielte Vereinbarung gebunden sei - und dass die Regierung alles unternehmen werde, um das Land zu schützen.
Netanyahu werde „die militärische Option aufrechterhalten“ und „Druck auf die Entscheider ausüben, um dieses gefährliche Abkommen noch zu verhindern, bevor es im Juni endgültig wird“, erwartet Reservegeneral Kuperwasser. Mittels seiner Geheimdienste könne Israel „auch als Wachhund dienen, um früh zu warnen, wenn die Iraner weiter an der Bombe basteln“, ergänzt er.
Ob Israel aber tatsächlich ohne Rückendeckung der USA etwa die Urananreicherungsanlage in Natans oder den Schwerwasserreaktor in Arak angreift, scheint zweifelhaft. „Dass Israel iranische Atomanlagen bombardiert, kurz nachdem die ganze Welt ein Abkommen mit Teheran unterzeichnet hat, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Gusansky. „Das würde als Gefährdung der globalen Sicherheitslage verstanden.“ Doch der Iran-Experte fügt hinzu: „Werden die Iraner beim Mogeln erwischt, erweitert das die legitimen Handlungsoptionen.“
Emily Landau, Spezialistin für Fragen der Rüstungsbegrenzung beim renommierten Forschungsinstitut INSS in Tel Aviv, sieht den Spielraum für Israels Regierung ebenfalls sehr begrenzt: „Es bleibt nur, die Großmächte zu überzeugen, eine bessere Vereinbarung anzustreben.“ Landau wirbt zugleich um Verständnis für die oft harschen Kommentare aus ihrem Land, wo sich eine Menge Frustration angesammelt habe. „Es ist hart, einfach hinzunehmen, dass Israel am stärksten bedroht ist, aber nicht an den Verhandlungen teilnehmen und sie von innen beeinflussen kann.“
Doch auch die israelische Regierung habe in den vergangenen Jahren „einen schweren Fehler“ gemacht, indem sie die Palästinenserfrage und das Iran-Problem komplett getrennt betrachtete, sagt Politikprofessor Jeheskel Dror von der Hebräischen Universität in Jerusalem. „Wenn sich kein Friedensabkommen mit den Palästinensern abzeichnet, was auch eine breitere Kooperation mit arabischen Staaten ermöglichen würde, die sich ebenfalls vom Iran bedroht fühlen, wird sich unser Handlungsspielraum nicht vergrößern“, sagt er.
Dies gelte auch für ein aktives Eingreifen im Iran, wenn es sich als notwendig erweise. Doch Dror betont, die iranische Feindseligkeit gegenüber Israel sei „kein Naturgesetz“. „Wir haben eigentlich keinen Streitgegenstand mit dem Iran; das ist alles verwoben mit den anderen Konflikten.“