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„In Schulen werden keine relevanten Kompetenzen mehr vermittelt“

Der Chef der Nachhilfe Köll, Christian Köll, kann nachvollziehen, warum sich Unternehmer über die Schulausbildung beschweren.

1996 haben Sie die Nachhilfe Köll (NHK) gegründet. Wie hat sich der Nachhilfesektor seitdem verändert?

Christian Köll: Damals bei der Gründung der NHK unkten manche, dass sich so ein Institut nicht rechne. 1996 gab es nur ein, dann zwei Franchise-Institute und mein eigenständiges. Seither hat die Nachfrage nach Nachhilfe ständig zugenommen, weil sie für viele leistbar wurde. Inzwischen gibt es fünf bis sechs größere Institute in Innsbruck. Meine Kernkompetenz ist die Einzelnachhilfe. In diesem Segment bin ich Marktführer, aber die NHK ist nicht der größte Nachhilfeanbieter Innsbrucks.

Wie hat sich der Markt in den vergangenen Jahren gewandelt?

Köll: Der traditionelle Markt beschränkt sich auf Schüler der 2. bis 13. Schulstufe. Ein neuer Markt tut sich in der Lücke zwischen dem Ausschulen und dem Berufseinstieg beziehungsweise dem Studienbeginn auf.

Warum?

Köll: Seit Langem besteht die Tendenz, jungen Menschen die Matura beinahe zu schenken. Die Zahl der Maturanten nimmt ständig zu. Dadurch hat dieser Abschluss fast keine Aussagekraft über die tatsächliche Leistungsfähigkeit mehr. Die Schülerinnen und Schüler können von allem ein bisschen etwas, sie können aber nicht mehr konsequent studieren. Das schaffen sie nicht. Da können sie selbst, ihre Eltern oder bezahlte Ghostwriter noch so viele vorwissenschaftliche Arbeiten schreiben.

Warum sind denn manche nicht im Stande, konsequent zu studieren?

Köll: Weil von Kompetenzen nur gefaselt, aber praktisch keine relevanten mehr vermittelt werden.

Darüber beschweren sich ja auch Unternehmer.

Köll: Völlig zu Recht, denn nach der Pflichtschule können angehende Lehrlinge nicht einmal Bodenflächen berechnen. Das ist der nächste große Bildungsmarkt. Wifi, bfi und VHS haben das erkannt und bieten Kurse an, in denen das nachgeholt werden soll, was in der Volksschule versäumt wurde. Denn viele Schülerinnen und Schüler haben nie gelernt, ihren Verstand einzusetzen und Aufgaben zu 100 Prozent konsequent zu erledigen.

In welchen Fächern benötigen Schüler am häufigsten Nachhilfe?

Köll: Drei Viertel unseres Gesamtumsatzes entfallen auf Mathematik. Doch ich glaube, dass Mathematik in zwei Jahren als Nachhilfefach „tot“ sein wird. Dann sind die Übungsbeispiele für die Zentralmatura so etwas wie Allgemeingut. Jeder weiß dann, wie es läuft, und kann selbst im Internet üben. Man rechnet ja nicht mehr, man kreuzt ja nur noch an – nicht nur in Mathematik. Die meisten Prüfungen werden als Multiple-Choice-Test ausgeführt.

Wie würden Sie das Schulsystem reformieren?

Köll: Ich würde eine Schulautonomie einführen, die den Namen wirklich verdient, die Landesverwaltungen abschaffen und diese Zwischenebene zentralisieren. Dann kommt die Gesamtschule. Obwohl ich diese für unsinnig halte, müssen wir Österreicher sie mitmachen. Denn gegen einen so starken internationalen Trend kommt man nicht an. Doch der Schlüssel für ein gutes Schulsystem sind die Lehrpersonen. Sie müssen es schaffen, die Schüler zu begeistern. Daher müssen wir über die Lehrerausbildung reden. Zum Teil werden sehr fähige Leute ausgebildet, die von dem, was sie da tun, und ihrem Fach überzeugt sind. Ihr Problem: Sie kommen frisch von der Uni und sind noch etwas theorielastig. In der Praxis wird sich das jedoch mit der Zeit geben.