„Lawinenabgang war unvorhersehbar“
Michael Zwölfer, der dem tödlichen Schneebrett in Frankreich entkam, schilderte seiner Mutter die Tragödie. Indes sind die Überlebenden nach Österreich zurückgekehrt. Die Bergführer wurden freigelassen.
Von Peter Nindler und Marco Witting
Innsbruck, Grenoble –Trauer, Fassungslosigkeit, Schmerz. Und immer wieder die schrecklichen Bilder von der Lawine und von den Schneemassen, vor denen es kein Entrinnen gab. Der Außerferner Michael Zwölfer hat das Lawinenunglück im Ecrins-Massiv überlebt, bei dem drei seiner Tourkameraden von den „Jungen Alpinisten“ starben. Nach den Befragungen durch die französische Polizei hat er gemeinsam mit den Überlebenden die Nacht auf Freitag in einem Hotel in Briancon verbracht. Am Freitagabend konnte er dann gemeinsam mit den Überlebenden und dem Notfallteam des Alpenvereins die Heimreise nach Österreich antreten. Mittlerweile seien sie wieder zu Hause bei ihren Familien, teilte der Alpenverein am Samstag in einer Aussendung mit.
Maria Zwölfer, Michaels Mutter, hatte Donnerstagabend länger mit ihrem Sohn gesprochen. „So schlimm die ganze Situation war, die Gruppe hat nach seinen Schilderungen trotzdem noch die Nerven bewahrt.“ Aus der Situation gab es kein Entkommen. „Wie alle anderen versuchte mein Sohn noch an den Rand des pistenähnlichen Geländes zu gelangen, aber er schaffte es nicht mehr“, erzählt Maria Zwölfer von den dramatischen Augenblicken, die ihr Sohn in den französischen Alpen erlebt hat. Die schweren Schneebrocken erfassten die elfköpfige Tourengehergruppe. Michael Zwölfer wurde wie einige andere teilweise verschüttet, konnte sich aber rasch selbst befreien. „Dann haben sie wohl geistesgegenwärtig nach ihren Rucksäcken gesucht und mit Schaufeln ihre verschütteten Kollegen ausgegraben“, sagt Zwölfer.
Innerhalb von wenigen Minuten ist es ihnen dann auch gelungen. Zwölfer: „Das ist auch ihrer guten Ausbildung beim Alpenverein zu verdanken. Trotz der dramatischen Ereignisse behielten sie die Nerven.“ Für drei Verschüttete kam jedoch jede Hilfe zu spät, obwohl sie rasch aus den Schneemassen befreit werden konnten. „Verzweifelt versuchten sie, ihre Kameraden wiederzubeleben, doch alle Anstrengungen waren vergeblich“, berichtet die Lermooser Bürgermeisterin.
Als die französischen Helfer und Rettungshubschrauber zur Unglücksstelle gelangten, ging es nur noch darum, einen lebensgefährlich verletzten Osttiroler rasch zu versorgen. Er kämpft nach wie vor in der Klinik von Grenoble um sein Leben. Sein Zustand wurde gestern weiterhin als „kritisch“ beschrieben. Laut Aussage seiner Familie sei sein Zustand jedoch stabil. Die Angehörigen des jungen Mannes sind in Frankreich und bangen am Krankenbett. Offiziell gaben die Ärzte aber keine Erklärung ab.
Dass die beiden Bergführer kurzzeitig von der Polizei in Gewahrsam genommen worden sind, habe die Gruppe laut Zwölfer ebenfalls geschockt. „Michael hat mir erzählt, dass das alles unvorhersehbar war. Sie wollten gerade wieder die Skier anschnallen, als sich plötzlich die Schneebrocken gelöst hätten.“ Als Mutter eines Überlebenden ist es Maria Zwölfer ein Anliegen, darauf hinzuweisen, „dass die Gruppe gut ausgebildet und auf die Tour entsprechend vorbereitet war. Das haben die Mitglieder auch in der Ausnahmesituation nach dem Abgang der Lawine bewiesen. Leider konnten drei ihrer Freunde nicht mehr gerettet werden.“ Beim Alpenverein herrschte auch gestern tiefe Trauer und Fassungslosigkeit. „Wir haben ein eigenes Team nach Frankreich zur Unglücksstelle entsandt. Wir wollen wissen, wie die Situation vor Ort ausgesehen hat“, erklärte Robert Renzler, Generalsekretär des Alpenvereins. Man wisse nicht, ob man überhaupt Unterlagen zur Untersuchung von der französischen Behörden bekomme. Deshalb schaute sich gestern ein Team des Alpenvereins die Unglücksstelle an.
Die Österreicher hätten „alles getan, was getan werden musste“, erklärte ein örtlicher Bergführer dem französischen TV-Sender Europe1. Dies könne nicht anders gehandhabt werden. Nach Ansicht des Bergführers habe man alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Französische Medien bestätigten auch, dass die beiden Bergführer bereits am Donnerstagabend aus dem Gewahrsam der Polizei entlassen wurden. Der Alpenverein erklärte zudem gestern erneut, dass sie zur Führung der Tour in Frankreich absolut berechtigt waren. Bei der örtlichen Staatsanwaltschaft geht man davon aus, dass die Untersuchungen noch einige Wochen dauern werden. Die Mitglieder der Gruppe trafen erst heute in den Morgenstunden in der Heimat ein. Sehr lange hatten gestern die letzten Befragungen gedauert. Die größtenteils unverletzt gebliebenen Teilnehmer seien notfallpsychologisch betreut worden. „Wir hoffen und bangen mit dem Schwerverletzten in der Klinik. Für einen eventuellen Rücktransport steht eine Maschine bereit“, sagt Renzler.