Syrien - Zigarrenrollen in Zeiten des Bürgerkriegs
Lattakia (APA/AFP) - Unter Fotos von Staatschef Bashar Al-Assad und dessen Vater Hafez rollen Arbeiter in einer großen Halle in der westsyri...
Lattakia (APA/AFP) - Unter Fotos von Staatschef Bashar Al-Assad und dessen Vater Hafez rollen Arbeiter in einer großen Halle in der westsyrischen Provinz Latakia Zigarren. Die staatliche „General Tobacco Company“ will bald die ersten gefertigten Zigarren in Syrien auf den Markt bringen - und damit in dem seit Jahren von einem Bürgerkrieg zerrissenen Land Arbeitsplätze und ein wenig Wirtschaftswachstum schaffen.
Umm Ali ist eine der Arbeiterinnen, die in Latakia derzeit Zigarren rollen. 130 Mitarbeiter zählt die Fabrik der General Tobacco Company, darunter nur sechs Männer. Bis zu 500 Zigarren produzieren sie zusammen pro Tag - in einer Region, die zu weiten Teilen von dem Konflikt verschont geblieben ist. Latakia gilt als Hochburg von Assad und der religiösen Minderheit der Alawiten, der auch der Präsident angehört.
„Zuerst wusste ich noch nicht einmal, was eine Zigarre ist“, gesteht Umm Ali. Ein Ingenieur des Unternehmens habe sie und mehrere Frauen eines Tages angesprochen und gesagt: „Ihr wisst, wie man gefüllte Weinblätter herstellt, also versucht einmal, Zigarren zu rollen.“ In Internetvideos über die Zigarrenproduktion in Kuba habe sie sich Tipps geholt. An einem guten Tag rollt Ali inzwischen etwa 15 Zigarren, am Anfang waren es gerade einmal fünf.
Die General Tobacco Company hatte Ende Februar angekündigt, heimische Zigarren verkaufen zu wollen. Perspektivisch sollen so eines Tages 1.000 neue Arbeitsplätze in Syrien entstehen - einem Land, dessen Wirtschaft durch den brutalen Bürgerkrieg mit bisher mehr als 215.000 Toten am Boden liegt.
Bevor Syrien nach etlichen regierungskritischen Protesten im März 2011 von einer Gewaltspirale erfasst wurde, zählte die General Tobacco Company zu den erfolgreichsten Staatskonzernen des Landes, mit millionenschweren Einnahmen. Wie zahlreiche staatliche Unternehmen ist auch der Tabakkonzern seit 2012 mit Sanktionen der Europäischen Union belegt. Sämtliche Gelder wurden eingefroren, weil das Unternehmen der Regierung bei der blutigen Niederschlagung der Proteste geholfen haben soll.
Die General Tobacco Company suchte nach neuen Geschäftsfeldern. „Wir haben uns entschieden, ein neues Produkt ohne ausländische Hilfe herzustellen - in der Hoffnung, die Wirtschaft zu unterstützen“, sagt Fabrikmanager Shady Mualla, der dem Westen einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Syrien vorwirft.
Vor drei Jahren begannen die ersten Arbeiter des Unternehmens damit, zu lernen, wie sie per Hand Zigarren rollen. „Sehr bald“ solle nun der Verkauf auf dem heimischen Markt beginnen, betont der Vizechef des Konzerns, Salman Al-Abbas. Auch exportieren wolle das Unternehmen - in „freundlich gesinnte Länder“, wie er betont. Zum Beispiel in den Iran, nach Russland, China oder in einige afrikanische Länder.
Noch steht der Verkaufsstart nicht fest, auch einen Preis hat die General Tobacco Company noch nicht festgelegt. Die Zigarren werden zunächst noch Geschmackstests unterzogen, um ihre Qualität zu sichern.
Für Umm Ali steht jedoch fest: „2015 ist das beste Jahr meines Lebens, weil es das Jahr ist, in dem wir den Produktionsstart für die Zigarren offiziell verkündet haben.“ Dass diese zahlreiche Käufer finden, glaubt sie aus zwei Gründen ganz fest. „Sie haben den Geschmack von syrischem Tabak und wurden von syrischen Arbeitern hergestellt.“
(Alternative Schreibweise: Lattakia)