Wieder Proteste nach Tod von Kind durch Polizeischüsse in Brasilien

Rio de Janeiro (APA/AFP) - Nach der Tötung eines zehnjährigen Buben durch Polizeischüsse hat es in einem Elendsviertel von Rio de Janeiro de...

Rio de Janeiro (APA/AFP) - Nach der Tötung eines zehnjährigen Buben durch Polizeischüsse hat es in einem Elendsviertel von Rio de Janeiro den zweiten Tag in Folge Proteste gegeben. Demonstranten in der Favela Complexo do Alemao forderten am Samstag ein Ende der Gewalt und den Abzug der Polizisten. Auslöser der Proteste war ein Polizeieinsatz in der Favela, bei dem am Donnerstagabend ein Zehnjähriger getötet worden war.

Der friedliche Demonstrationszug unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und einem großen Polizeiaufgebot wurde von Kindern und von dutzenden Motorradtaxis angeführt. Die Veranstalter des Protestmarsches forderten die Anrainer über Lautsprecher auf, sich dem Protest anzuschließen und gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. In der Favela leben 70.000 Menschen.

Bereits am Freitag hatte die Polizei Tränengas gegen rund 300 Demonstranten eingesetzt, die eine der Zufahrtsstraßen zu dem Armenviertel blockierten. Nach Angaben von Augenzeugen war der Protestmarsch bis zu dem Tränengaseinsatz friedlich verlaufen. Dann bewarfen Demonstranten die Polizisten mit Steinen. Ein Polizeisprecher sagte, die Beamten seien „gezwungen“ gewesen, „nicht-tödliche Waffen“ einzusetzen, um die Demonstranten in Schach zu halten.

Innerhalb von etwas mehr als 24 Stunden hatte die Polizei in Rio de Janeiro vier Menschen erschossen, darunter den zehnjährigen Buben. Nach Polizeiangaben waren die Beamten bei dem Polizeieinsatz im Complexo do Alemao von einer Gruppe „Krimineller“ beschossen worden.

Die Eltern des Buben wiesen diese Darstellung zurück. Ihr Sohn habe nichts mit Drogenhändlern zu tun, und es habe auch keine „Schießerei“ gegeben, sagte die Mutter der Zeitung „Globo“. Es sei nur ein Schuss zu hören gewesen, „der Schuss, der meinen Sohn getötet hat“.

Die Polizei leitete eine Untersuchung des Vorfalls ein, die verantwortlichen Beamten wurden vorübergehend vom Dienst suspendiert. Die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff versicherte den Eltern des getöteten Buben ihre „Solidarität“ und forderte, die Umstände seines Todes müssten aufgeklärt und die Verantwortlichen „vor Gericht gestellt und bestraft“ werden.

Die Polizei in Brasilien steht immer wieder wegen übermäßigen Gewalteinsatzes unter Beschuss. Die Demonstranten kritisierten in Sprechchören vor allem die sogenannte Befriedungspolizei UPP, die die Drogenbanden aus den Favelas zurückdrängen soll. „Die Polizei tut nichts anderes, als unsere Nachbarn zu töten“, riefen die Demonstranten.