Die zweite glorreiche Revolution
Rolls-Royce beschreitet jetzt ganz offiziell neue Wege: Der Cullinan mixt höchsten Luxus mit harten Offroad-Talenten. Meiden muss das Luxus-SUV nur zweierlei: knappe Parkgaragen und enge Gassen.
Von Markus Höscheler
Innsbruck – Die Briten haben einen eher konservativen, umbruchsscheuen Ruf – der Bestand der Monarchie im 21. Jahrhundert darf für diese Einschätzung herhalten. Doch es wäre ein Irrtum zu behaupten, die Angelsachsen gingen jedweder Änderung kampflos aus dem Weg.
Die Glorreiche Revolution aus dem Jahr 1688 brachte beispielsweise ein neues Königsgeschlecht an die Macht und eine Aufwertung des Parlaments mit sich. 330 Jahre später zeichnet sich eine neue Revolution ab, keine politische, aber durchaus eine, die den Adel betrifft: Rolls-Royce, Traditionshersteller von Luxuskarossen, schickt sich an, erstmals und innerhalb der BMW-Group-Zugehörigkeit, ein Sport Utility Vehicle reichen Kunden anzubieten. Die Edelmarke verneigt sich damit vor dem anhaltenden SUV-Trend, versucht aber, aus dem erstaunlichen Kniefall ein gutes Geschäft zu machen.
Erhabenes Mittel zum profanen Zweck ist der an diesem Donnerstag vorgestellte Cullinan, ein Luxus-SUV der Superlative. Das Fahrzeug ist 5,34 Meter lang, 2,16 Meter breit und 1,84 Meter hoch – schon von den Dimensionen her verbietet es sich, enge Parkgaragen oder die engen Gassen mittelalterlicher italienischer Städte anzusteuern. Im Gegenzug ist der 2,66 Tonnen schwere Wagen in der Lage, Flüsse zu durchqueren, Geröllpisten zu bewältigen, Schlammwege zu befahren und steile Passagen mühelos hinter sich zu lassen. Dafür musste sich Rolls-Royce dazu herablassen, erstmals in der Markengeschichte auch die Vorderräder mit Motorkraft zu bedienen. Davon gibt es reichlich, dank eines V12-Benzinmotors, der mit zwei Turboladern bestückt und mit 6,75 Litern Hubraum versehen ist. Ab 1600 Umdrehungen
Minute liegt das satte Drehmoment von 850 Newtonmetern an – damit lassen sich viele Offroad-Abenteuer bestehen. Eine Wattiefe von 540 Millimetern ist hierbei ebenso hilfreich, die Bergabfahrhilfe Hill Descent Control nicht minder, die Installierung von vier Kameras gleichermaßen.
Um die Insassen vor den Unebenheiten und Unannehmlichkeiten der Umgebung zu schützen, ist der extrem lange Radstand von 3,3 Metern ein guter Diener – und er ist nicht der einzige. Eine großzügig dimensionierte, adaptive Luftfederung mit großen Federbeinen bewahrt vor „Schlägen im härtesten Gelände“, eine Aluminium-Unterkonstruktion „bietet außergewöhnliche Karosseriesteifigkeit“, mit der „Everywhere“-Taste lässt sich das Offroad-Programm des Cullinan aktivieren. Eine Vierradlenkung sichert zusätzlich die Traktion bei schnell gefahrenen Kurven.
Als weitere Spezialität zu betrachten ist die Glaswand, die den Fahrgastraum vom Gepäckraum abtrennt. Damit bleiben die klimatischen Bedingungen in der Fahrgastzelle stabil, wenn die Heckklappe (ebenfalls ein Novum für Rolls-Royce) geöffnet wird. Das Ladeabteil ist generös, es reicht von 526 Litern netto bis 1930 Liter – bei umgelegten Rücksitzlehnen (im Verhältnis 1
3 zu 2/3). Großzügigkeit findet sich außerdem in der zweiten Sitzreihe – sie besteht entweder aus drei „Lounge Seats“ oder zwei „Individual Seats“ samt trennender Mittelkonsole.
Nicht nur die gewählte Fahrzeugkarosserie ist dem Publikumsgeschmack geschuldet, sondern auch das Technologie-Portfolio im Innenraum. Abseits zeitgemäß erscheinender Fahrerassistenzsysteme finden wir Touchscreens, ein Head-up-Display, USB-Anschlüsse, eine induktive Lademöglichkeit für Smartphones, einen WLAN-Hotspot und ein digitales Instrumentarium.
Die Cullinan-Revolution wird wohl eine glorreiche sein, jedenfalls eine den Hersteller reich machende.