Tirol

Fünffachmord in Kitzbühel: 26-Jähriger zu lebenslanger Haft verurteilt

Es tue ihm unendlich leid, sagte der 26-Jährige im Prozess.
© Rudy De Moor

Vergangenen Oktober löschte ein junger Unterländer eine ganze Familie in Kitzbühel aus. Jede Nacht habe er die Bilder der Tat vor seinem geistigen Auge, sagte der 26-Jährige im Prozess. Unter Tränen entschuldigte er sich bei den Hinterbliebenen der Opfer. Am Abend wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Nicht rechtskräftig.

Innsbruck, Kitzbühel – Nach dem Fünffachmord in Kitzbühel im Oktober des vergangenen Jahres ist am Mittwoch am Landesgericht Innsbruck der 26-jährige Angeklagte zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Mann soll seine 19-jährige ehemalige Lebensgefährtin, ihre Eltern (Vater 59, Mutter 51), ihren Bruder (23) und einen Freund (24) der 19-Jährigen im Wohnhaus der Familie erschossen haben. Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig. Der Wahrspruch der Geschworenen fiel einstimmig aus. Begründung: Angesichts des hohen Schuldgehalts sei hier trotz Milderungsgründen etwas anderes als lebenslänglich nicht mehr möglich.

📽️ Video | Lebenslänglich für 26-Jährigen

Es war der 6. Oktober 2019, gegen 6 Uhr früh, als der junge Mann die Polizeiinspektion in Kitzbühel betrat. Er legte eine Waffe, ein Messer und einen Baseballschläger auf den Tresen. "Ich habe soeben fünf Menschen getötet", sagte er. Nachdem die Beziehung zur 19-jährigen Tochter der Familie zerbrochen war, war der junge Unterländer knapp drei Monate vor der Tat aus dem Haus ausgezogen. In der Tatnacht begegnete er seiner Ex-Freundin in einem Lokal, es kam zum Streit. Als er später vor dem Haus auftauchte, wurde er abgewiesen. Nun fuhr der Beschuldigte zu seinem eigenen Elternhaus. Aus dem Safe nahm er die Pistole seines Bruders und 15 Patronen.

Wenig später stand der Tiroler wieder vor dem Haus seiner einstigen Zweitfamilie. Nach und nach erschoss er Vater, Mutter, seine Ex-Freundin, deren Bruder und ihren neuen Freund.

Angeklagter bekannte sich schuldig

Als der Angeklagte am Mittwoch in den Gerichtssaal geführt wurde, richteten sich zahlreiche Kameras auf ihn. Das Interesse an dem Fall ist groß: Insgesamt 25 Medienhäuser waren angemeldet. Die Plätze im Saal waren wegen der Covid-Vorgaben genau eingeteilt. Auch für Angehörige waren Plätze reserviert.

Vor dem Verhandlungssaal warteten Journalisten, Fotografen und Kamerateams auf den Einlass.
© Reinhard Fellner

Über Verteidigerin Vanessa Heiss drückten die Eltern des 26-Jährigen den Angehörigen der fünf Opfer ihr tiefes Beileid aus. Es sei eine "außergewöhnliche Tat", sagte sie in ihrem Eröffnungsplädoyer. Anders als von den Medien dargestellt, handle es sich aber nicht um eine reine Tat aus Eifersucht. "Es ist viel komplexer."

Ihr Mandant sei sehr wohlbehütet aufgewachsen. Trotzdem habe er nie gelernt seine emotionalen Bedürfnisse zu artikulieren. Er habe einen großen Wunsch nach Stabilität gehabt, zitierte die Verteidigern aus dem psychiatrischen Gutachten. In einem Nachtclub sei es dann zu dem schicksalshaften Treffen mit der Ex-Freundin gekommen. Er habe sie zurückgewinnen wollen, sie wollte jedoch nicht. "Er fühlte sich von seiner ehemaligen Freundin und ihrer Familie verraten und abgewiesen."

Verteidigerin (l.) und Staatsanwältin (r.), dahinter die Gutachter, die im Prozess gehört wurden.
© Reinhard Fellner

Zu Beginn der Verhandlung bekannte sich der 26-Jährige schuldig im Sinne der Anklage. Er wirkte weinerlich, als er mit seiner Aussage begann. Der Unterländer schilderte, wie sich die Beziehung zu der 19-Jährigen veränderte, wie er bemerkt habe, dass ihr Interesse an ihm schwinde. Im August vor der Tat habe sie dann Schluss gemacht.

"Mehr will ich dazu jetzt nicht mehr sagen"

Nachdem er in der Nacht vor der Tat von der Familie von ihrem Haus weggeschickt worden war, und ihm seine Ex-Freundin eröffnet hatte, "dass sie mich eh schon zweimal betrogen habe", sei er nach Hause gefahren. "Ich dachte: Jetzt ist genug!", sagte der 26-Jährige. Dann habe er die Waffe seines Bruders geholt und sei ein drittes Mal zum Haus der Opfer gefahren. "Mehr will ich dazu jetzt nicht mehr sagen", erklärte der 26-Jährige mit brüchiger Stimme. "Das erlebe ich jede Nacht beim Schlafen, das ist schlimm genug." Zwei bis vier Stunde dauere es jeden Abend, bis er einschlafen könne. Er habe nämlich immer die Bilder der Tat vor Augen.

📽️ Video | ORF-Reporter Klaus Schönherr berichtet vom Prozess

Emotional wurde es, als der 26-Jährige die Tat schilderte. "Ich hatte einen Tunnelblick. Ein Außenstehender kann das nicht nachvollziehen. Da kommt man nicht aus. Man bringt nicht absichtlich fünf Leute um, das tut mir unendlich leid!" Er habe so gehofft, dass ihn jemand aufhalte. Doch so sei ihm nur der Tunnelblick geblieben.

Was ihn zur Tat getrieben habe? "Eifersucht war damals wohl nicht das Motiv. Aber die Art, wie mich die Familie angefahren hat, dass ich mich jetzt schleichen solle – und dazu die unerwartete Untreue waren wohl der Auslöser." Der 26-Jährige entschuldigte sich bei dem verbliebenen Bruder seiner Ex-Freundin. Dann brach er in Tränen aus.

Der Angeklagte sagte am Beginn der Verhandlung umfassend aus.
© Reinhard Fellner

Nachdem die Einvernahme des Angeklagten beendet war, wurden noch Zeugen einvernommen. Nach der Mittagspause waren dann die beiden Sachverständigen am Wort.

"Es ging nicht nur um die Ex-Freundin!"

Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner sagte in der Verhandlung: "Es war die Enttäuschung über das Ende seines ganzen Beziehungsgeflechts. Bei der Tat ging es nicht nur um die Ex-Freundin!" Zur Tatzeit sei der Angeklagte zurechnungsfähig gewesen. Hinweise auf eine Geisteserkrankung oder Minderbegabung gebe es nicht. Auch eine Schädeluntersuchung des Beschuldigten habe keinen relevanten Befund ergeben, sagte sie beim Vortrag ihres Gutachtens.

Zum Tatzeitpunkt dürfte der Beschuldigte etwa 0,83 Promille Alkohol im Blut gehabt haben. Deshalb und auch, weil er im Tatzeitraum logisch und stringent habe denken könne, könne eine alkoholbedingte Beeinträchtigung ausgeschlossen werden. Vorab getätigte Einwände von Verteidigerin Vanessa Heiss, dass der Diabetes ihres Mandanten in Zusammenhang mit Alkohol Tatentschluss und -ausführung beeinflusst haben könnte, verneinte die Psychiaterin wie bereits in ihrem Gutachten erneut: "Kein Überzucker dieser Welt führt dazu, dass man Menschen attackiert."

Die Beziehung zu seiner Ex-Freundin sei einer der wesentlichsten stabilisierenden Faktoren im Leben des Angeklagten gewesen. Als sie ihn abwies, sei sein gesamtes Beziehungsgeflecht zusammengebrochen. Der Angeklagte habe aber gewusst, was er tat. Er hätte anders handeln können. "Er ist völlig normal. Es gibt keine psychiatrische Diagnose und das mag vielleicht für viele das Erschreckendste sein", sagte Kastner. Trotzdem sei es sehr unwahrscheinlich, dass der 26-Jährige nochmals eine solche Tat begehen würde.

"Er hat alles in sich hineingefressen"

Die Geschworenen zogen sich am späten Nachmittag zur Beratung zurück. Der Angeklagte hatte sich zuvor in seinem Schlusswort erneut bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt. "Es tut mir unendlich leid", meinte der 26-Jährige am Ende des Prozesses. Er könne sich selbst nicht erklären warum er tat, was er getan hatte. "Das hat niemand verdient", sagte der Kitzbüheler. Er versuche nun, das Geschehene aufzuarbeiten und damit umzugehen.

Auch seine Verteidigerin versuchte in ihrem Schlussplädoyer zu erklären, wie es zu der Tat kommen konnte. "Es sind ganz viele Faktoren zusammengekommen, die zu dieser schicksalhaften Nacht geführt haben", so die Rechtsanwältin. Ihr Mandant habe ein Problem damit, sich emotional zu artikulieren, er habe "alles in sich hineingefressen". Er habe Stabilität bei seiner Ex-Freundin gefunden. Das Ende der Beziehung habe ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.

Für die Staatsanwältin gab es keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte die Opfer absichtlich umgebracht hatte. "Er hat diese fünf Personen regelrecht hingerichtet, wegen seiner enttäuschten Liebe zu seiner Ex-Freundin", meinte die öffentliche Anklägerin. Es gebe in diesem Fall nur eine gerechte Strafe und zwar lebenslänglich, fügte sie hinzu.

Zu diesem Urteil kamen auch die Geschworenen. Kurz nach 18.30 Uhr wurde ihr Entschluss bekanntgegeben. Der Angeklagte erbat Bedenkzeit, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. (TT.com/smo, fell)

📽️ Video | Großes Medieninteresse an Prozess

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