Coronavirus

Gut zu wissen: So wirkt sich Covid-19 auf Darm und Leber aus

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Eine Corona-Infektion hinterlässt deutliche Spuren in den Verdauungsorganen. Die sensible Keimwelt im Darm, die Mikrobiota, verändert sich massiv. Viele Patienten entwickeln jedoch nicht nur eine Darmentzündung, sondern zeigen auch krankhaft erhöhte Leberwerte.

Innsbruck – Mit neuen medizinischen Erkenntnissen zu den Auswirkungen von Covid-19 auf den menschlichen Körper ließ der Direktor für Innere Medizin I an der Medizinischen Universität Innsbruck, Herbert Tilg, am Dienstag aufhorchen.

Dass bei etwa zehn bis 20 Prozent der Covid-Patienten in der Anfangsphase einer Infektion Durchfall, Übelkeit und Erbrechen als Symptome auftreten, war bereits bekannt. Wie Tilg in einer Aussendung ausführt, kann das Coronavirus Sars-Cov-2 jedoch auch im Darm für Schädigungen sorgen oder die Leber beeinträchtigen.

❓ Was passiert nach einer Sars-CoV-2 Infektion im Darm?

Herbert Tilg, Direktor Univ.-Klinik Innere Medizin
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"Wir sehen bei unseren Patientinnen und Patienten, dass der Verdauungstrakt entzündlich mitbeteiligt ist", so Tilg. So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass im Stuhl das Entzündungseiweiß Calprotectin deutlich erhöht ist. Dabei handle es sich um einen Biomarker für eine Darmentzündung. Tilg: "Wir wissen also, dass Covid-19 nicht nur eine Entzündung in der Lunge verursacht, sondern wahrscheinlich auch im Dünn- und Dickdarm."

❓ Was konnte man von den ersten Covid-19 Patienten lernen?

Eine Erkenntnis sei laut Tilg gewesen, dass die Erkrankung ein sehr breites klinisches Bild zeige. "Das heißt, es können verschiedene Organe beteiligt sein. Es gibt keine andere Virusinfektion, die in einem so großem Ausmaß Entzündungen im Körper verursacht", sagt der Mediziner.

Covid-19 sei eine entzündliche Erkrankung, die den Organismus „überfährt“. Die Behandlung mit Cortison sei zu einer wirklichen Therapie geworden. "Früher galt es als absurd, eine Infektion so zu behandeln. Jetzt ist es bei schweren Verläufen ein Standardverfahren. Da haben wir in der Medizin schon viel gelernt", so Tilg.

❓ Soll man bei Durchfall und Erkältungssymptomen daheim bleiben?

Tilgs Antwort auf die Frage ist eindeutig: "Jetzt, da das Virus so häufig ist: ja. Mit Fieber und Magen-Darm-Beschwerden sollte ich allerdings primär zu Hause bleiben, denn es könnte ja auch eine andere Viruserkrankung vorliegen."

Eine weitere Verbreitung sollte jedenfalls vermieden werden, unabhängig davon, um welchen Erreger es sich handelt. Im Moment sehe man beispielsweise kaum Fälle von Norovirusinfektionen – die intensiven Hygienemaßnahmen dürften hier einen günstigen Einfluss haben.

"Aktuell können Symptome wie Durchfall oder Erbrechen daher jedenfalls Anzeichen für eine Covid-19 Erkrankung sein", sagt Tilg. Gerade in der Frühphase seien es manchmal die einzigen Symptome. Später kämen meist weitere hinzu. Nur in Einzelfällen dominiere die Infektion der Verdauungsorgane das Geschehen.

❓ Welche Auswirkungen hat das Virus im Körper noch?

Wie sich herausstellte, haben sehr viele der Betroffenen, fast 50 Prozent, krankhaft erhöhte Leberwerte. "Das Ausmaß der Leberwerte korreliert mit der Entzündung im Körper. Die Leber ist damit ein weiteres Organ, das von den entzündlichen Prozessen einer Covid-19 Erkrankung betroffen ist", sagt Tilg.

Darüber hinaus hätten die Patienten einen erhöhten Neopterinspiegel im Stuhl. Dieser Marker zur Erfassung der Immunaktivität wurde in den 1980er-Jahren an der damaligen Medizinischen Fakultät in Innsbruck entdeckt. Tilg: "Damit haben wir einen weiteren Baustein zum Verständnis der Erkrankung geliefert. Voraussichtlich kommt es zu einer Entzündungsreaktion in der Darmwand."

❓ Welche Rolle spielt die „Keimwelt im Darm“?

Laut Tilg führt Covid-19 zu einer massiven Veränderung der Darm-Keimwelt. Tilg: "Die tausenden von Bakterienfamilien in der Mikrobiota ändern sich total. Es gibt erste Hinweise, dass diese Verschiebung etwas mit dem Schweregrad der Erkrankung zu tun hat."

Die Keimwelt werde durch die Infektion verändert und trage letztlich auch zur Ausbreitung der Entzündung im Körper bei. Das hat natürlich einen nachhaltigen Effekt auf das Krankheitsgeschehen und die Mikrobiota ist damit auch ein mögliches Target für die Behandlung.

❓ Sind Langzeitfolgen im Verdauungstrakt möglich?

Hierzu laufen laut Tilg noch Forschungsarbeiten, aber man wisse bereits, "dass sich im Schnitt die Symptomatik der Verdauungsorgane bei Covid-19-Patienten nach Tagen oder Wochen wieder legt". Auch die Entzündungen der Leber, die man in der Akutphase sehe, legen sich laut dem Experten wieder. Bei schweren Verläufen einer Covid-19 Erkrankung komme es zu der bereits häufig beschriebenen "totalen Überreaktion des Immunsystem".

"Dieser Zytokinsturm fährt in alle Organe hinein. Zum Glück sehen wir auch in der Leber aktuell keine chronischen Schädigungen, aber hier wird von uns weiterhin genau hingeschaut", sagt Tilg.

❓ Herausforderung Vorsorge: Kommen noch genügend Personen zur Darmkrebsvorsorge?

"Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben gelernt, dass unsere Patientinnen und Patienten nicht nur während des Lockdowns, sondern auch danach oft nicht zu wichtigen Vorsorgeuntersuchungen kommen", so Tilg. Es gebe bereits Hochrechnungen, die besagen, dass man rund zehn Prozent der Darmkrebserkrankungen später und in einem fortgeschrittenerem Stadium diagnostizieren werde. Das bedeute einen grundlegenden Nachteil für die Betroffenen.

Tilg appelliert daher: "Bitte gehen Sie weiterhin zur Vorsorge! Das hat wirklich einen signifikanten Effekt auf Heilungschancen und an der Universitätsklinik Innsbruck sind auch aktuell Endoskopien möglich." (TT.com)

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